
Brandenburg Kein Frühjahrshochwasser: Elbdeiche in der Prignitz leiden unter der Trockenheit
Seit Wochen regnet es in der Prignitz kaum, auch das Winter- und Frühjahrshochwasser ist in der Elbe ausgeblieben. Die Folgen sind bereits sichtbar: ausgetrocknete Stellen an den Elbdeichen, die zu Rissen führen könnten. Und es gibt weitere Folgen. Von Björn Haase-Wendt
Lysann Jacob vom Brandenburger Landesumweltamt blickt etwas besorgt auf den Elbdeich bei Garsedow in der Nähe von Wittenberge und zeigt auf eine ausgetrocknete Stelle, wie es sie aktuell vielerorts entlang der Elbe in der Prignitz gibt: "Das Gras wächst hier nicht, es kommen immer mehr Trockengräser und es ist sehr schwer, die Grasnarbe geschlossen zu halten."
Dabei ist eine tief wurzelnde und geschlossene Grasnarbe enorm wichtig für die Standsicherheit der Elbdeiche. Sie hält die Böschung zusammen und schützt bei Hochwasser die Deiche vor Schäden etwa durch Wellenschlag oder Treibgut. Ist die Grasnarbe also nicht dicht, bedeutet das im Ernstfall auch zusätzlichen Aufwand. "Falls uns ein Hochwasser ereilt, was in der heutigen Zeit mit dem Klimawandel und den plötzlichen Starkregenereignissen passieren kann, müssen wir diese Böschungen zusätzlich mit Kokosmatten oder Vlies schützen", erklärt die Bereichsingenieurin beim Landesumweltamt.

Lysann Jacobs vom Landesumweltamt
In letzten 50 Jahren war die Elbe nur zweimal niedriger
Der Grund für die Sorgen: Es ist in diesem Frühjahr viel zu trocken. Seit Wochen schwankt der Pegel in Wittenberge um die 1,80 Meter. Die Wittenberger Außenstelle des Landesumweltamtes erfasst die Pegelstände selbst seit 50 Jahren. Lysann Jacob zeigt die Entwicklung und sagt, dass zu dieser Jahreszeit eigentlich doppelt so viel Wasser in der Elbe sein müsste: "In den letzten 50 Jahren war die Elbe nur zweimal zu dieser Zeit so niedrig wie jetzt. Das macht uns schon ein bisschen Angst."
Hinzu kommt: Auch das sonst übliche Winter- und Frühlingshochwasser ist in diesem Jahr ausgeblieben. Es sorgt eigentlich dafür, dass Wasser in die Deiche kommt und dort gespeichert werden kann. "Wir sehen an der Grasnarbe schon jetzt, dass kein Wasser mehr da ist", fügt Jacob hinzu.

Deichbewirtschaftung schwieriger
Probleme bereitet das zum einen bei der Bewirtschaftung der Deiche. Mit schwerem Gerät kann das Gras kaum gemäht werden, ohne Schäden zu verursachen. Und auch die Beweidung durch Schafe ist jetzt schwieriger. So müssen die Schäfer ihre Herden verkleinern und auch häufiger umkoppeln. "Wir schauen mit dem Wasser- und Bodenverband uns die Deichabschnitte an und entscheiden jeden Tag neu, wo die Schafe raufkönnen, damit sie keinen Schaden machen", erklärt die Expertin des Landesumweltamtes. Sie hofft, dass der Einsatz der Schafe nicht ganz gestoppt werden muss, denn eigentlich sind die Tiere hilfreich. Mit ihren Klauen treten sie Unebenheiten fest und Mauselöcher zu.
Das Landesumweltamt und der Prignitzer Wasser- und Bodenverband haben die Deiche deshalb nun intensiver im Blick. Auch weil es Bereiche gibt, die zu Rissen neigen, etwa der Neudeich bei Lenzen. "Das ist ganz stark vom Wassergehalt im Deich abhängig. Wir haben sie aber untersucht, die sind nicht so schädlich – wir haben das im Griff, weil es vor allem Lehmboden ist", sagt Jacob.

Landwirt Dirk Glaeser
Elbe zieht das Umland leer
Der niedrige Wasserstand in der Elbe kann auch zu Problemen im Umland führen. Denn der Fluss hat eine Art Sogwirkung, erklärt Landwirt Dirk Glaeser von der Agrarproduktivgenossenschaft Abbendorf. Er bewirtschaftet über 3.000 Hektar Grün- und Ackerland entlang der Elbe. "Die Elbe ist wie ein großer Entwässerungsgraben. Wenn sie zu wenig Wasser hat, dann nimmt sie mit Unterdruck das Wasser aus den Flächen", sagt der Landwirt. Momentan seien die Auswirkungen auf seinen Feldern noch nicht zu spüren, auch weil der Regen der vergangenen Tage etwas geholfen habe.
Aber führt die Elbe weiterhin so wenig Wasser und bleibt in den kommenden Wochen der Regen weiter aus, sind die Folgen spätestens im Sommer zu sehen. "Wir werden es beim Grünland sehen, wenn wir den ersten Schnitt gemacht haben. Das wird Ende Mai, Anfang Juni sein. Dann wird der zweite Aufwuchs nicht so stark sein oder ganz ausbleiben", erklärt Glaeser. Besonders problematisch könnte es dann im Herbst werden, wenn die Wiederbestellung der Felder ansteht. "Man merkt es erst, wenn man die neuen Früchte in den Boden bringen will und der Boden so stark ausgetrocknet ist, dass die neuen Samen schlecht keimen."

Lebensräume für Fische, Amphibien und Vögel bedroht
Außerdem hat das ausgebliebene Winter- und Frühlingshochwasser weitere Folgen für den Landwirt. Denn der Prignitzer Elbabschnitt ist ein sogenanntes Anlandungsgebiet. Durch das Hochwasser werden sonst Tonmineralien der Saale auf den Grünlandflächen abgelagert. "Die haben eine Düngerwirkung und es ist so, dass man dort auch nicht Dünger streuen braucht, weil die Mineralien eine gewisse Fruchtbarkeit mitbringen – dem trauern wir schon nach." Der Landwirt wünscht sich deshalb anhaltenden Regen oder ein leichtes Hochwasser.
Ähnlich sieht das Meike Kleinwächter. Sie leitet in Lenzen das Auenzentrum der Naturschutzorganisation BUND, das sich für den Erhalt der einzigartigen Auenlandschaft entlang der Elbe einsetzt. Auch sie blickt besorgt auf den niedrigen Wasserstand. "Wir hätten jetzt eigentlich richtiges Wasser, das auch in die Auen vorgedrungen wäre. Jetzt sehen wir die Situation, dass schon Gewässer ausgetrocknet sind, die zum Laichen für Fische, für Amphibien und für Vögel als Nahrungshabitate zur Verfügung stehen müssten", erklärt die Auen-Expertin.
Dabei gehe es vor allem um Flut- und Nebenrinnen in den Auen, die früher an die Elbe angebunden waren. Üblicherweise würden sie über das Jahr Wasser führen und frühstens im Spätsommer oder Herbst austrocken. "Da wäre das nicht mehr so dramatisch", sagt Kleinwächter, die einen Trend in der Entwicklung erkennt.
Nebenrinnen sollen Wasser in die Auen leiten
Bis 2013 habe es regelmäßig Frühjahrshochwasser gegeben, aufgrund der Schneeschmelze im Riesengebirge. "Speziell im April hatten wir dann immer hohe Wasserstände. Bis auf letztes Jahr war das nicht mehr der Fall." Das habe enorme Auswirkungen auf die Vegetation in den Auen, die Gewässer, es gebe weniger Insekten und auch der Weißstorch würde weniger Futter in der Region finden.
Wichtig sei es deshalb dafür zu sorgen, dass das wenige vorhandene Wasser nicht sofort in Richtung Nordsee abfließt. Das BUND-Auenzentrum aus Lenzen versucht dafür ehemalige Nebenrinnen der Elbe wieder anzubinden, damit auch bei niedrigen Wasserständen das Wasser in die Auen geleitet werden kann. "Je tiefer die Aue angebunden ist mit dem Fluss, desto häufiger kann der Fluss auch ausufern, das sind Maßnahmen, die schon umgesetzt werden", erklärt Maike Kleinwächter. So werden aktuell rund um Rühstädt und Quitzöbel entsprechende Maßnahmen geplant.
Sendung: Antenne Brandenburg, 25.04.2025, 18 Uhr