Archivbild: Brandenburg, Grünheide, verstaubte Tesla-Fahrzeuge stehen vor der Giga - Factory. (Quelle: imago images/Thiel)

Brandenburg Interview: "Die Zeit der Bilderbuchgewinne scheint bei Tesla vorbei zu sein"

Stand: 11.06.2025 12:54 Uhr

Tesla steckt in der Krise. Die Verkäufe sinken, andere Hersteller bauen modernere E-Autos. Der Ausflug von Konzernchef Elon Musk in die Politik habe die Lage verschärft, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer. Doch die Probleme seien grundsätzlicher.

rbb|24: Herr Dudenhöffer, im Januar, kurz nach der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident, hat Elon Musk eine aktive Rolle in der Regierung der USA eingenommen. Keine sechs Monate später ist es damit wieder vorbei. Was hat dieser Ausflug in die Politik Musk und Tesla gebracht?

Ferdinand Dudenhöffer: Da wurde in großem Umfang Porzellan zerschlagen. Musks Sympathiewerte sind ins Negative abgerutscht. Diejenigen, die ihm einmal zugewandt waren und Teslas gekauft hatten, haben sich bereits seit längerem von der Marke abgewendet.
 
Musk mischt sich auch weiterhin ein. Etwa indem er sich jetzt positiv über Trumps gewaltsames Vorgehen in Kalifornien äußert und sich gegen den demokratischen Governeur Gavin Newsom stellt. Ich glaube, er wird immer populistischer. Das hat großen Schaden für Tesla gebracht.
 
Ein zweiter Schaden ist entstanden, weil er sich in den vergangenen Monaten mit Doge [der Abteilung für Regierungseffizienz, Anm.d.R., tagesschau.de] beschäftigt hat. Da blieb wenig Zeit um sich um sein Unternehmen zu kümmern, das sich derzeit in keiner einfachen Situation befindet.

Gab es das schon einmal in der Automobilgeschichte, dass sich ein Konzernboss so stark politisch engagiert und dabei, wie Sie sagen, viel zerschlagenes Porzellan hinterlässt?

Mir fällt zum Beispiel Frank Stronach ein, der Gründer des kanadisch-österreichischen Autozulieferers Magna. Er wollte in den Achtzigern Vorsitzender der Liberalen Partei Kanadas werden, scheiterte aber. Später engagierte er sich in Österreich politisch, zog in den Nationalrat ein, legte sein Mandat aber kurze Zeit später wieder ab. Er hatte zu diesem Zeitpunkt große Teile seines Unternehmens in andere Hände abgegeben. Das ist also nicht mit Musk vergleichbar, der beides gleichzeitig gemacht hat.

Tesla ist eng mit dem Namen Musk verbunden. Durch sein kontroverses Image scheint der Chef zu einer Schwachstelle für das Unternehmen geworden zu sein.

Absolut. Musk hat die Marke aufgebaut. Er hat versprochen, den Klimawandel durch neue Technologien zu bekämpfen. Das soll mit seinen Elektrowagen passieren, mit den Ladeparks. Solche CO2-schonenden Projekte waren gesellschaftlich gesehen positive Dinge. Auch sonst will er mit Innovationen große Probleme lösen, ob mit SpaceX oder Starlink.
 
Es gibt aber natürlich auch die Ideen, die sich im Grenzbereich zu dem bewegen, was überhaupt realistisch geht. Computerchips in menschliche Köpfe einzupflanzen oder die Besiedlung des Mars anzukündigen, ist weit weg von dem, was sich wirklich erreichen lässt. Dazu wilde Geschichten aus seinem Privatleben, die in der Presse landen. Da würde man schon fragen, ob er noch alle Tassen im Schrank hat.

Innovation war lange ein Markenkern von Tesla. Es fällt auf, dass die Konkurrenz mit deutlich kürzen Modellzyklen plant. Tesla hat seinen Fahrzeugen ein Facelift gegeben, Bestehendes verbessert, doch grundsätzliche Erneuerungen sind ausgeblieben. Wie innovativ ist Tesla aktuell?

Tesla war das erste Unternehmen, das Elektromobilität emotional definiert hat. Da ging es um Beschleunigungswerte, neue Batterien und Produktionstechniken. Zum ersten Mal wurden Zentralcomputer in Autos eingebaut, so dass niemand mehr für ein Software-Update in die Werkstatt fahren muss. Tesla hat für moderne Autos Maßstäbe gesetzt. Das war 2012 beim Model S so und auch 2017 bei der Einführung des Model 3. Bei der Einführung des Model Y, drei Jahre später, blieben zum ersten Mal die großen Innovationen aus.

Ich denke, viele Investoren sind ihm gegenüber eher vorsichtig geworden.

Das jüngste Modell, das Tesla auf den Markt gebracht hat, war vor zwei Jahren der Cybertruck. Ein mehr als drei Tonnen schweres Ungetüm, das niemals in der EU zugelassen werden wird, und durch viele Rückrufaktionen negativ aufgefallen ist.

Der Cybertruck ist eine teure und vielleicht auch verrückte Entwicklung. Das Auto wurde ausschließlich für den US-Markt entwickelt, wo er nun als Exot mit schusssicheren Scheiben durch die Gegend fährt. Für China oder Europa, die beiden wichtigsten Märkte für Musk, ist der Cybertruck ungeeignet. Die wirklich wichtigen Modelle für Tesla, 3 und Y, sind unterdessen hinter die Konkurrenz aus China wie BYD und Xiaomi zurückgefallen. BMW und Mercedes haben zum Teil bessere E-Autos im Angebot. Wenn wir den Preis mit einbeziehen, liegt Tesla auch nicht mehr vor VW.
 
Bei anderen Projekten blieb es bei der Ankündigung. Tesla wollte mit dem Semi-Truck den Lkw-Markt neu erfinden. Seit Jahren wird das angekündigt. Mittlerweile sind klassische Truck-Hersteller längst batterieelektrisch unterwegs. Das angekündigte Robotaxi, das komplett selbstständig fahren soll, erweckt bei mir den Eindruck, dass Musk vor allem ein hoher Aktienkurs wichtig ist. Es soll Investoren zeigen, dass Tesla auch in Zukunft hohe Gewinne erwirtschaften kann. Mit den bestehenden Fahrzeugen kann er das nicht.

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Lassen sich Investoren noch von solchen Versprechen beeindrucken, wenn diese nie eintreffen oder erst mit vielen Jahren Verspätung?

Das wesentliche Problem ist, dass die Ankündigungen immer unrealistischer geworden sind. Gleichzeitig ist das Kerngeschäft stärker unter Druck geraten. Andere Autobauer haben Tesla überholt. Musk hat vor allem durch sein Verhalten viel Vertrauen zerstört. Er springt mit rotem Cappy und Kettensäge auf eine Bühne und liegt permanent mit Spitzenpolitikern im Streit. Ich denke, viele Investoren sind ihm gegenüber eher vorsichtig geworden. Zumal die Zeit der Bilderbuchgewinne vorbei zu sein scheint.

Zu glauben, Trump mit millionenschweren Wahlkampfspenden vom Gegenteil zu überzeugen, war naiv.

Nun könnte Trumps Politik direkt das Geschäft von Musk treffen. Der US-Präsident möchte Förderprogramme für Elektroautos streichen. Die vielen Wendungen in der Zollpolitik machen langfristige Kostenplanungen schwieriger.

Von den Zöllen sind alle amerikanischen Autobauer gleichermaßen betroffen. Von den Förderprogrammen haben ebenfalls alle profitiert, so lange sie bestimmte Teile wie die Batterie in den USA hergestellt haben. Tesla ist von den Förderungen allerdings extrem abhängig, schließlich haben sie keine Verbrenner im Angebot. 7.500 Dollar können beim Kauf eines E-Autos in den USA abgeschrieben werden. Wird das abgeschafft, ist der Markt dort kaputt. Und er wird auch keine Zukunft haben, solange Trump an der Regierung ist. Zu glauben, Trump mit millionenschweren Wahlkampfspenden vom Gegenteil zu überzeugen, war naiv von Musk.

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Wie wirkt sich die Gesamtlage bei Tesla auf das Werk in Grünheide aus?

Laut eigenen Angaben hatte Tesla im vergangenen Jahr die Kapazität, 2,5 Millionen Autos zu bauen. Tatsächlich hergestellt wurden 1,77 Millionen. Vielleicht stellt Tesla dieses Jahr 1,5 Millionen Autos her, vielleicht auch nur 1,3 Millionen. Überkapazitäten bedeuten Verluste. In Grünheide können pro Jahr 500.000 Fahrzeuge produziert werden. Ich befürchte, man kann sich ausrechnen, was ein weiterer Rückgang der Verkäufe für Tesla in Deutschland bedeutet. Mit Sicherheit werden in Grünheide sämtliche Ausbaupläne gestrichen.

Das Image ist schlecht, Innovationen passieren anderswo, die Verkäufe lassen nach. Wie kann Tesla unter diesen Umständen wieder zur Konkurrenz aufschließen?

Das ist wirklich sehr schwer zu sagen. Die geringe Auslastung der Werke ist ein großes Problem. Da keine neuen, innovativen Fahrzeuge in Sicht sind, lässt sich das nur schwer ändern. Das war alles lange vorher abzusehen. Die Verschlechterung bei Tesla war schleichend. Im letzten halben Jahr hat das durch Musks politische Aktivitäten lediglich an Fahrt aufgenommen. Nun zeichnet sich ein Gang ab, der nicht schön ist.

Herr Dudenhöffer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Oliver Noffke.