Ein DDR-Wandbild aus dem Jahr 1985. (Quelle: rbb)

Brandenburg Wiederentdecktes DDR-Wandbild wird in Cottbuser Schule aufgehängt

Stand: 11.06.2025 19:04 Uhr

Ein DDR-Wandbild aus dem Jahr 1985, das jahrelang im Archiv lag, soll in einer Cottbuser Schule wieder angebracht werden. Es zeigt die Abbagerung eines sorbischen Dorfes - ein untypisches Motiv für die damalige Zeit, in dem sich Experten zufolge auch Kritik versteckt.

Ein DDR-Wandbild aus 365 Keramik-Kacheln, das jahrelang in mehreren Kisten im Stadtmuseum lag, soll in Kürze in einer Schule wieder aufgehängt werden.
 
2011 war das Wandbild beim Abriss einer Schule in Cottbus von der Fassade genommen und eingelagert worden. Der Fotograf Martin Maleschka, der DDR-Baukunst, Stadtumbau und Nachkriegsarchitektur dokumentiert, sowie der Architekt Uwe Wittig holten das Werk aus dem Archiv und suchten fehlende Teile. Nun soll es zunächst restauriert und dann wieder installiert werden.

Keramikwandbild (Quelle: rbb24/Philipp Manske)

Das Wandbild in der urspünglichen Form

Motiv untypisch für die DDR

Das Wandbild zeigt Kohlebagger, die ein sorbisches Dorf abreißen. Am Horizont entstehen neue Plattenbauten, dazwischen die Spree. Das Bild stammt aus dem Jahr 1985 und wurde von dem Cottbusser Künstlerhaus Ring unter dem Titel "Stadtumbau" gestaltet. "Man hat hier ein altes sorbisches Dorf weggegraben, unter dem die Braunkohle liegt", erklärt Maleschka das Motiv. 1985 wurde mit dem Braunkohle-Tagebau in der Region begonnen. Inzwischen stellt sich die Region auf den Kohleausstieg ein.

Laut Maleschka ist das Wandbild im Material und in der Herstellungstechnik typisch für die DDR, das Motiv dagegen ist es nicht. "Das ist wirklich speziell", so Maleschka. "Es ist natürlich auf die Region bezogen." Was zu dem Zeitpunkt hier passiert sei, habe der Künstler in Bildsprache an die Wand gebracht. Überall seien Dörfer abgebaggert worden, erläutert Wittig, und es habe auch Gegenbewegungen gegeben. Eine Kachel zeigt eine Uhr, die 5 vor 12 zeigt. Wittig sieht darin eine versteckte Kritik an den Zerstörungen.

Baukosten anteilig für Künstlerhonorare vorgesehen

Wandkeramikbilder und andere Formen von baubezogener Kunst waren in der DDR sehr weit verbreitet. Die dabei entstehenden Arbeiten wurden regelmäßig in öffentlichen Gebäuden und Schulen, aber auch in Krankenhäusern und Wohngebeten installiert. "Kunst am Bau war von 1950 bis 1990 integraler Bestandteil der DDR-Architektur", sagt Maleschka.
 
Bei Neubauprojekten war ein prozentualer Anteil von zwei Prozent der Gesamtbaukosten für Kunst und die Honorare der Künstler und Künstlerinnen vorgesehen. In den 50er- und 60er-Jahren habe sich dieser Anteil laut Maleschka dann auf 0,5 Prozent verrringert.

Die Baukunst, insbesondere Keramik-Wandbilder, waren staatlich verankert und spielten auch eine ideologische Rolle. "Als der Staat komplett neu aufgebaut hat, sollte mit den Wandbildern propagiert werden", erklärt Maleschka. "Das neue Leben, die neue Zeit, den Aufbruch von einer ganz neuen Ideologie" - das habe transportiert werden sollen.

 
In den 1960er bis 1980er Jahren ebbte der ideologische Druck zunehmend ab, auch weil die Kunst immer mehr in die Serienherstellung ging. "Es gab dann nicht mehr so viele Motive von wehenden roten Fahnen und dem Emblem der DDR, schon gar nicht für Schulen und Kindergärten", so Maleschka. Motive wie beispielsweise Pflanzen wurden häufiger.

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Er habe lange mit der der DDR-Kunst gehadert, sagt Wittig. "Diese Kunst, die uns damals verordnet wurde, sollte in neue Projekte oder Schulen integriert werden: Das fiel mir schwer. In meinem Geist tauchten Bilder aus meiner Kindheit auf, wie der NVA-Soldat neben der roten Fahne und dem Chemielaboranten, der die Zukunft erfindet", so Wittig. Erst durch längere Auseinandersetzung mit dem Werk seien ihm - neben dem künstlerischen Wert - auch die Aussagen der Arbeit bewusster geworden, die im Kontext der spätsozialistischen Zeit von 1985 stehen. "Zweifel und Hinterfragen der sozialistischen Realität wuchsen, und das Wandbild thematisiert den Natur- und Landschaftsverbrauch sowie die Technikgläubigkeit und den Energiehunger der Produktion, die sich negativ entwickelten", erklärt der Architekt.

Viele Wandbilder ab 1990 aus den Städten entfernt

Baukultur der DDR wurde nach 1990 oft schnell abgebrochen und die vorhandenen Arbeiten aus den Städten und Kommunen entfernt. Das prägte auch Maleschka: Während er in Cottbus Architektur studierte, fing er an, teils verschwundene und eingelagert baukünstlerische Kunst und Arbeiten der DDR zu erfassen und zu dokumentieren. Inzwischen widmet er sich als Fotograf und sogenannter Baukulturvermittler seit 20 Jahren der Dokumentation baukultureller Zeugnisse der DDR.

 
"Wichtig ist mir, zu zeigen, dass der Wandel in den verschiedenen Städten nach 1990 nach wie vor spürbar ist", erklärt Maleschka. Teilaspekte dieser Geschichte und Entwicklungen fänden sich in dem jetzt wiedergefundenen Keramik-Wandbild.

"Kann pädagogisch sehr wertvoll verarbeitet werden"

Im September soll das Werk wieder in einer Schule in Cottbus aufgehängt werden. "Wenn ich in die heutige Zeit schaue, kann das pädagogisch sehr wertvoll verarbeitet werden. Über Kontextualisierung, also eine in die Zeit hineinstellende Erklärung, lässt sich sehr deutlich zeigen, was es für positive und auch negative Seiten in der DDR gab", sagt Architekt Uwe Wittig.
 
60.000 Euro kostet die Restaurierung, finanziert über Fördermittel von Bund, Land und Kommune. Die Stadtentwicklungsdezernentin der Stadt Cottbus, Doreen Mohaupt sagte dem rbb dazu: "Ich glaube, wir müssen Sorge dafür tragen, dass im Zuge des Strukturwandels ähnliche Dinge für die künftigen Generationen stehen bleiben. So bleibt Stadtgeschichte und regionale Entwicklung nachvollziehbar." Es sei wichtig, die positiven Erinnerungen mit einem kritischen Blick zu verknüpfen, um zu verstehen, wo und warum alles entstanden sei.

Keramikwandbild. (Quelle: rbb/Philipp Manske)

Martin Maleschka und Uwe Wittig bei der Rekonstruktion des Wandbildes

Sendung: Brandenburg Aktuell, 10.06.2025, 19:30 Uhr