
Berlin Konzert | Jon Batiste im Admiralspalast: Ein neuer Kanon
Genre-sprengender Allrounder: Aktuell begeistert Jon Batiste mit seiner breiten Mischung aus Jazz, Klassik, Pop, Rap, Soul und Gospel das europäische Publikum auf seiner "Maestro Tour". Nun war er im Berliner Admiralspalast zu sehen. Von Laurina Schräder
Beethoven trifft auf Blues und Gospel: Der US-amerikanische Musiker Jon Batiste hat sich getraut, seine Interpretationen von Beethoven-Stücken wie "Ode an die Freude", "Mondscheinsonate" oder "Für Elise" auf ein Album (als erstes einer Serie) zu packen und mit den musikalischen Einflüssen zu verbinden, die ihn selbst am meisten geprägt haben.
Bei seinem Konzert am Donnerstagabend im Admiralspalast wird seine Mission deutlich - der Welt zu zeigen, dass Musik offen und fluide ist, und auch der geradezu "heilige" Kanon der europäischen Klassik aufgebrochen und erweitert werden kann.

Preisgekrönte Mischung
Für Jon Batiste, geboren in New Orleans, stellt Musik einen essenziellen Teil des Lebens dar, der nicht im luftleeren Raum existiert, sondern Alltägliches spiegele; gesellschaftliche Strukturen und Entwicklungen. Auch die Vergangenheit sei Teil dieses Diskurses und so heißt es im Programmheft: "Im Laufe der menschlichen Geschichte haben wir die alten Mythen, Systeme und Formen mit unserer neuen Kultur synthetisiert." ("Throughout the course of human history, we have synthesized the old myths, systems, and forms with our new culture.")
Für Batiste ist es der Aufruf, jahrhundertealte Meisterstücke mit den Ikonen unserer Zeit zusammenzubringen: Das schwarze Südstaaten-Amerika trifft also auf europäische Klassik und die westliche Idee von Hochkultur. Beethoven auf Duke Ellington, Thelonious Monk, Traditionals wie "When the Saints Go Marching In", auch auf Suzanne Vega, und nicht zuletzt auf die eigenen Stücke von Jon Batiste.
Seine Musik ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden. So hat er für die Filmmusik zum Pixar-Film "Soul" (gemeinsam mit Trent Reznor und Atticus Ross) unter anderem den Oscar und Golden Globe bekommen, für sein 2021 erschienenes Album "We Are" gab es gleich fünf Grammies.
Publikum wird eingebunden - und unterrichtet
Die Befürchtung, der Abend könnte aufgrund des Settings – Batiste allein am Flügel – womöglich starr sein, löst sich bereits mit dem ersten Song. Jon Batiste ist eben nicht nur Musiker, sondern hat jahrelange Erfahrung als Band-Leiter, zum Beispiel in der US-amerikanischen Late-Night-Sendung von Stephen Colbert.
Das Publikum dirigiert Batiste wie einen Chor und wie bei einer Gospel-Messe ist Mitsingen, -stampfen, -schnipsen und -klatschen erlaubt. Nebenbei streut er kurze Lehreinheiten ein, erklärt das "Call and Response"-Prinzip oder die Bedeutung des Tritonus für den Blues und warum das Intervall im Mittelalter als teuflisch bezeichnet wurde. Es ist ein Abend, der auch den Titel "Musiktheoretische Grundlagen mit Jon Batiste" haben könnte.

Beats, Samples und positive Energie
Am Ende steht das übergeordnete Ziel, Freude zu erzeugen, die durch das gemeinsame Musikmachen entsteht und wozu insbesondere Spontaneität und Improvisation gehörten. In aller Breite nutzt Batiste dazu die Eigenschaften des Klaviers als klassisches sowie perkussives Instrument, das den Beat und Rhythmus im Raum bestimmt.
Schließlich präsentiert Jon Batiste dann noch sein Können an der Melodika sowie einige seiner berühmten und preisgekrönten Pop-Sounds mit einem Synthesizer-Pad. Live samplet er sie in die Klavier-Performance; das Publikum singt gelöst im Chor.
In jedem Ton des Abends (und explizit in den Zeilen "In this world with a lot of problems, all we need is a little loving" des Songs "I Need You") steckt eine Handlungsempfehlung, wie wir dem aktuellen Zustand der Welt begegnen können: mit positiver Energie und Gemeinschaftssinn.