
Berlin Berlins Wasserschutzpolizei und das wachsende Getümmel auf Dahme und Spree
Party-Flöße, Wing-Surfer, Jetskis: In den Sommermonaten kann es wild werden auf Berliner Gewässern. Wassersportler werfen der Polizei mangelnde Präsenz vor. Der Senat versprach neue Einsatzboote, doch die stehen noch aus. Von Shea Westhoff
Auf den Köpenicker Dahme-Abschnitt traut sich Ruderer Jörg Polenske nur noch an Vormittagen. "Da ist so viel Verkehr, da fällt man von einer Ohnmacht in die andere", sagt der 66-Jährige vom Spree-Ruder-Club Köpenick. Vor allem an warmen Tagen tummeln sich dort Partydampfer, Treetboote, SUPs, Jetskis und Schlauchboote. Einige der Gelegenheits-Wassertouristen verfügen allenfalls über rudimentäre Kenntnisse der Wasserverkehrsregeln.
Doch als größtes Problem sieht Polenske die Motorboote: "Die nehmen keine Rücksicht." Selbst wenn sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielten, würden sie oft ihren Wellenschlag unterschätzen. Bei der Durchsetzung der geltenden Regeln auf dem Wasser fühlt sich Polenske allein gelassen. "Man vermisst die Präsenz der Polizei auf den Gewässern", sagt er.

Temposünder warnen per Chat vor Polizei
Der Ruderer bezweifelt ohnehin, dass die Wasserschutzpolizei den Rasern gewachsen ist. "Die wissen genau, wann die Wechselzeiten zwischen den Dienstabschnitten sind", also die Zeitpunkte, an denen ein Vakuum bei der Überwachung herrsche. Mehrere Wassersportler berichten zudem von Apps und Chat-Gruppen, über die sich Temposünder gegenseitig vor Bootsstreifen warnen würden.
Während manche Gesprächspartner das Ausmaß des Problems relativieren und betonen, dass Verstöße wie Lärmbelästigung oder zu schnell fahren hauptsächlich in Hotspots wie dem Wannsee aufträten, zeichnen mehrere Wassersportler das Wimmelbild eines ausufernden Freizeitangebots. Immer wieder geht es um die als belästigend empfundene Zahl an motorisierten Partyflößen, Jetskis oder Wing-Surfern. Und zu wenig Polizei.

Senat schien alarmiert, handelte aber nicht
rbb|24 liegen Zahlen vor, denen zufolge 0,624 Prozent der Berliner Einsatzkräfte der Wasserschutzpolizei zugeordnet sind (Stand April 2025). Im Jahr 2023 verfügte die Berliner Polizei insgesamt über 27.208 Beschäftigte. Die Wasserschutzpolizei hätte damit derzeit etwa 170 Einsatzkräfte - zuständig für Ahndungen von Vergehen auf allen Wasserstraßen, Seen und vor den Häfen des wasserreichen Bundeslandes.
Zur Verfügung stehen ihnen dafür 15 blau-weiße Stahlboote, die zum Teil älter als 50 Jahre alt sind, drei Festrumpfschlauchboote, drei Zivilboote und zwei Jetski-ähnliche sogenannte "BOS-Watercrafts".
Angesichts der Ausstattung schien der Senat alarmiert gewesen zu sein und versprach der Wasserschutzpolizei ab 2024 in jedem Jahr ein neues Stahlboot. Hinterlegt wurde das im Koalitionsvertrag.
Doch der Senat hat die Boote bis heute nicht bereitgestellt. Die Grünen-Abgeordnete June Tomiak hatte die entsprechende Anfrage im Mai gestellt. Es stünden "keine Haushaltsmittel zur Beschaffung von Booten" zur Verfügung, hieß es in der Begründung der Innenverwaltung. Auch 2025 könne daher kein Stahlboot beschafft werden.
Gefahr: "rechtsfreier Raum"
Gerade Franziska Giffey (SPD) mache sich stark für mehr Tourismus auf dem Wasser, sagt Tomiak. Im Herbst 2024 hatte der Senat auf Vorlage der Wirtschaftssenatorin ein Konzept zur Förderung des Wassertourismus beschlossen. "Dann gehört es aber auch dazu, die Sicherheit auf dem Wasser zu thematisieren", so Tomiak, die Grünen-Sprecherin für Gewässerschutz.
Die verfügbaren Einsatzkräfte würden den "bestmöglichen Job" machen, betont sie. "Das ist überhaupt nicht das, was man ihnen vorwerfen sollte. Aber man kommt in kritische Bereiche, weil sie nicht an allen Stellen gleichzeitig sein können." Die Gefahr sei, dass ein "rechtsfreier Raum" auf dem Wasser entstehe.
Geringe Zahl geahndeter Vergehen
Fakt ist, dass der Umsatz der Wassertourismus-Branche in der Region Berlin-Brandenburg in den letzten zehn Jahren rund 50 Prozent zugelegt hat. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Zahlen zu den geahndeten Verkehrsvergehen auf Berliner Gewässern überraschend niedrig. Und die Frage stellt sich: Ist die Anzahl der Delikte so gering, weil man in Berlin besonderen Wert auf Regeleinhaltung legt? Oder wird zu wenig kontrolliert?
So sind die Vergehen in der Kategorie "Ordnungswidrigkeit-Schiff" in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen, 2024 lag die Zahl noch bei 808, im Jahr 2020 waren es noch 1.134. In der Kategorie sind Vergehen wie fehlende Beleuchtung, falsches Festmachen, aber auch Geschwindigkeitsverstöße zusammengefasst.
Auch die Schiffsunfälle wurden weniger: Lagen die vor fünf Jahren noch bei 122, betrugen sie im Jahr 2024 noch 89.
Irritierend niedrig erscheinen die Vergehen in Bezug auf Rauschmittel: Im gesamten vergangenen Jahr verzeichnete die Polizei genau 18 Fälle des Fahrens unter Alkohol- beziehungsweise Drogeneinfluss (2020: 12). An einem heißen Sommertag dürfte eine einzige Patroullie entlang des Treptower Spreeufers genügen, um auf eine höhere Fallzahl zu kommen.
Dazu addierten sich im vergangenen Jahr noch zehn Straftaten unter der Rubrik Gefährdung des Schiffsverkehrs.

Wendt fordert angemessenen "Kontrolldruck"
"Die Einsatzstärke hat mit den Entwicklungen auf dem Wasser nicht Schritt gehalten", sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Als Hauptgrund für den Freizeit-Boom auf dem Wasser sieht er die weitgehende Führerscheinfreiheit für Boote mit einer Leistung von bis zu 15 PS.
Entsprechend brauche es mehr Personal, "damit ein angemessener Kontrolldruck hergestellt werden wird". Die Zahl müsse sich "wenigstens verdoppeln".
Innenverwaltung plant keinen Ausbau der Personalstärke
Die zuständige Innenverwaltung stellt auf Anfrage klar: "Eine Erhöhung der Personalstärke ist derzeit nicht geplant." Ein bedarfsorientierter Streifendienst gewährleiste, "dass rund um die Uhr Einsatzkräfte auf Booten auf den Wasserstraßen unterwegs sind". Dadurch werde für "Ordnung und Sicherheit" auf Berliner Gewässern gesorgt. Der Bedarf des Personals und der Ausrüstung werde regelmäßig neu bewertet.
Offenbar als notwendig bewertet und trotzdem nicht bereitgestellt wurden jedoch die Polizei-Stahlboote in diesem und im vergangenen Jahr. Ob die Wasserfahrzeuge in den nächsten Jahren zu erwarten seien? Unklar. "Die Beschaffung von Booten steht unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Mitteln", heißt es von der Verwaltung. Es würden "landesübergreifende Beschaffungskooperationen geprüft".