An einer Schnellladesäule für E-Autos leuchten Ladekabel grün.

Baden-Württemberg Gibt es zu viele E-Ladesäulen? EnBW verlangsamt Ausbau

Stand: 25.04.2025 16:51 Uhr

2024 wurde die Ladesäulen-Infrastruktur in Deutschland stark ausgebaut. Die Politik feiert das als Erfolg. Doch noch bleiben viele Ladesäulen in BW ungenutzt.

EnBW drosselt Ausbau von E-Auto-Ladesäulen

Wer sein Elektroauto laden möchte, dürfte in der Regel schnell eine freie Ladesäule finden. Im zweiten Halbjahr 2024 waren nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Deutschland im Schnitt nur rund 17 Prozent öffentlich zugänglicher Ladepunkte zeitgleich belegt. Heißt das im Umkehrschluss: Viele sind kaum ausgelastet?

EnBW tritt auf die Bremse: Das Ausbauziel von Ladesäulen wird gedrosselt

Ein wichtiger Faktor für den Erfolg der E-Mobilität ist die Lade-Infrastruktur. Der Ausbau ist hier mittlerweile so weit vorangeschritten, dass Betreiber schon wieder auf die Bremse treten. Der Marktführer in Deutschland, der Karlsruher Energiekonzern EnBW, hat sein Ausbauziel schon gedrosselt. "Nach unserer Einschätzung gibt es Stand heute keinen Engpass bei der Ladeinfrastruktur", erklärte Vorstand Dirk Güsewell.

Nur jeder fünfte Ladepunkt ist laut BDEW überdurchschnittlich ausgelastet. Einem Bericht der "Automobilwoche" zufolge soll rund ein Viertel der Ladepunkte in Deutschland überhaupt nicht genutzt worden sein. Das zeige eine Analyse des Marktdatenspezialisten Elvah von Echtzeitdaten der Ladevorgänge an öffentlich zugänglichen Ladesäulen.

Einordnung: Gibt es nun zu viele Ladesäulen für zu wenig E-Autos?
Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion über den gedrosselten Ausbau von Ladesäulen: Hier kommen mehrere Dinge zusammen: Zum einen hat der Ausbau der Ladesäulen einen Vorlauf - die EnBW spricht von ungefähr fünf Jahren. Damit ist klar, dass die Säulen, die es heute gibt, aktuell noch nicht ausgelastet sind. Außerdem ist die Nachfrage nach E-Autos tatsächlich geringer, als die Politik und die Hersteller noch vor Jahren gedacht haben. Elektroautos sind immer noch vergleichsweise teuer und die staatliche Förderung fiel Ende 2023 weg. Dazu kommt die Wirtschaftskrise und dass viele Menschen ihr Geld zusammenhalten. Der Wechsel zur E-Mobilität stockt also. Die EnBW passt ihre Pläne nun daran an.
Sie geht aber davon aus, dass sich der Hochlauf der E-Mobilität nur zeitlich nach hinten verschiebt und zweifelt nicht am langfristigen Trend.

Ausbau bei Schnellladepunkten noch deutlicher

161.686 Ladepunkte gab es nach jüngsten Angaben der Bundesnetzagentur Anfang Februar in Deutschland. Im Vergleich zum Stand ein Jahr zuvor war das gut ein Fünftel (21 Prozent) mehr. 36.278 davon waren Schnellladepunkte. Hier wurde der Ausbau demnach noch deutlicher vorangetrieben: Der Zuwachs binnen eines Jahres betrug 39 Prozent.

Die Größe der Standorte plane der Betreiber EnBW anhand einer in etwa fünf Jahren erwarteten Auslastung, so eine Sprecherin. Nicht genutzte Ladepunkte seien also oft auch lediglich "noch nicht" genutzte Ladepunkte. Faktoren bei der Planung seien etwa die Entwicklung bei E-Auto-Zahlen und wie viel Ladeinfrastruktur schon vorhanden ist. Eine Rolle spiele zudem die Quote der Menschen, die zu Hause ihr Fahrzeug laden.

Die kontinuierlich geringe zeitgleiche Auslastung zeigt sehr deutlich, dass in Deutschland der Ausbau des Ladeangebots derzeit stärker wächst als die Anzahl von E-Pkw. Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

Die Energie- und Ladebranche investiere seit Jahren in die E-Mobilität. Der privatwirtschaftliche Wettbewerb beim Aufbau von Ladepunkten funktioniere sehr erfolgreich.

Situation in BW: Große Unterschiede zwischen Stadt und Land

Laut Zahlen des Statistischen Landesamtes nimmt das E-Auto eine immer wichtigere Rolle im Straßenverkehr ein: Anfang 2017 waren in Baden-Württemberg noch 6.667 E-Autos zugelassen. Am 1. Januar 2024 lag die Zahl bei 229.556.

2017 kamen auf einen Ladepunkt 7,3 Elektroautos, 2024 waren es laut Statistischem Landesamt 10,2. Das bedeutet, dass sich zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich zehn E-Autos einen Ladepunkt teilten.

Regional sind die Unterschiede groß: Im Stadtkreis Karlsruhe kamen 2017 noch 86 Autos auf einen Ladepunkt, 2024 waren es nur noch 14,6. Ähnliche Entwicklungen gab es im Stadtkreis Stuttgart (von 54,3 auf 5,4) und der Landkreis Calw (von 53,5 auf 14,1). Am schlechtesten ist die Situation für E-Auto-Fahrer im Landkreis Biberach mit 20,6 E-Autos je Ladepunkt, während im Stadtkreis Heilbronn mit einem Wert von 3,4 die günstigste Versorgung bestand.

Für die Verbraucher wichtig: Auslastung in Stoßzeiten

Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums ordnete ein: "Bei der reinen Betrachtung der durchschnittlichen Belegdauer von Ladepunkten pro Tag bleiben wesentliche Aspekte des komplexen Ladeverhaltens unberücksichtigt." Dazu zählten die Ladetarife und die Aufenthaltsqualität am Ladestandort. "Vor allem variiert die Nutzung stark im Tagesverlauf, abhängig von Tageszeit, Regionstyp und saisonalen Einflüssen." Aus Nutzerperspektive seien vor allem die Zeiten der größten Auslastung von Bedeutung, erklärt sie.

Eine flächendeckende Infrastruktur sei wichtig, um in Stoßzeiten wie Ferien Wartezeiten an Ladestationen zu vermeiden. Die meisten Ladepunkte gibt es im Ländervergleich in Baden-Württemberg (27.778), Nordrhein-Westfalen (31.077) und Bayern (31.463).

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) schließt sich dieser Einschätzung an: Die Auslastung sei nicht ausschlaggebend für die Kundenzufriedenheit, vielmehr sei die Verfügbarkeit das entscheidende Kriterium. "Auslastungsdaten werden in der Regel über große Zeit- und Ortsräume gemittelt", so eine Sprecherin des Verbands. "Dadurch geben sie keine brauchbare Auskunft darüber, wie sich die Auslastungssituation der Ladepunkte vor Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich darstellt." Soll heißen: Wichtig für Verbraucher sind freie Ladestellen zu Stoßzeiten und in der Nähe.

Der Vergleich mit älteren BDEW-Zahlen zeige, dass die durchschnittliche Auslastung innerhalb von zwei Jahren um knapp 50 Prozent gestiegen ist.

Die Auslastung steigt also deutlich. Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA)

Gut für Klimaziele: Politik feiert Ausbau der Ladeinfrastruktur

"Mit jedem neuen Ladepunkt machen wir die Elektromobilität einfacher und zugänglicher. Eine gute Ladeinfrastruktur ist deshalb eine gute Nachricht", teilte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) dem SWR mit. Der schnelle Ausbau der Lademöglichkeiten in Baden-Württemberg müsse nun zusammen mit einem steigenden Anteil an Elektroautos weitergehen. Im dritten Quartal 2024 waren rund vier Prozent aller Autos in Baden-Württemberg vollelektrisch.

Für Baden-Württembergs Klimapolitik spielen Elektroautos eine zentrale Rolle, um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen. Der Straßenverkehr mit fossilen Verbrennermotoren verursacht den größten Teil der Verkehrsemissionen. BW-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne)

Signal zur Stärkung der Nachfrage von E-Autos gefordert

"Was wir in Deutschland jetzt brauchen, ist ein klares Signal zur Stärkung der Nachfrage von E-Autos", forderte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Wichtige Aspekte seien, dass die europäischen Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß beibehalten werden und günstigere Fahrzeugmodelle. Auch EnBW-Manager Güsewell betont: "Für einen zielgerichteten Hochlauf der Elektromobilität braucht es aus unserer Sicht keine pauschale Förderung des Infrastrukturausbaus, sondern nachhaltige Anreize für den Kauf von E-Fahrzeugen."

Aktuell betreibt der Konzern deutschlandweit mehr als 6.000 DC-Schnellladepunkte mit einer Leistung von bis zu 400 Kilowatt. Im Schnitt fänden E-Autofahrer alle 50 Kilometer einen davon. Konzernchef Georg Stamatelopoulos hatte Ende März erklärt, das Unternehmen habe das Ausbauziel für 2030 wegen des verlangsamten Hochlaufs der E-Mobilität von 30.000 auf 20.000 Ladepunkte reduziert. Allerdings gehe die EnBW nur von einer zeitlichen Verschiebung aus. "Am langfristigen Trend erwarten wir keine gravierende Veränderung."

Sendung am Fr., 25.4.2025 7:30 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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