
Baden-Württemberg Nach Amoklauf in Graz: Wie sicher sind die Schulen in Baden-Württemberg?
Bei einem Amoklauf an einer Schule im österreichischen Graz sind zehn Menschen getötet worden. Ähnliche Vorfälle gab es bereits in Baden-Württemberg. Wie man sich auf weitere mögliche Taten vorbereitet.
Der Amoklauf an einer Schule im österreichischen Graz weckt Erinnerungen an den Amoklauf in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) und Wendlingen (Kreis Esslingen). 2009 erschoss dort ein 17-Jähriger 15 Menschen, zwölf von ihnen an seiner ehemaligen Schule. Um Amoktaten in Zukunft verhindern zu können oder zumindest besser reagieren zu können, hat sich in den vergangenen 16 Jahren an den Schulen in Baden-Württemberg einiges getan.
Nach Amoklauf in Winnenden: Maßnahmenplan vom Land
Nach dem Amoklauf in Winnenden haben das Kultus- und das Innenministerium des Landes beispielsweise eine Verwaltungsvorschrift erarbeitet, die das Verhalten an Schulen bei Notfällen und Krisen regelt.
Dieser Plan sieht unter anderem vor, dass es an jeder Schule ein Krisenteam gibt. Zudem erstellen die Schulleitungen einen Krisenplan. Dazu stimmen sie sich mit dem zuständigen Polizeipräsidium und der örtlichen Feuerwehr ab. Dieser Krisenplan enthält laut dem Kultusministerium Angaben zum schulinternen Krisenteam, einen Grundriss des Schulgebäudes und einen Flucht- und Rettungsplan.
Schulen wird empfohlen, einmal im Jahr eine Übung für die Lehrkräfte zum Verhalten während eines Amokalarms durchzuführen. Schülerinnen und Schüler sind bei diesen Übungen nicht dabei. Sie sollen im tatsächlichen Alarmfall altersgerecht informiert werden.
Nach Amoklauf in Winnenden: Land baut schulpsychologisches Angebot aus
Nach dem Amoklauf in Winnenden hat das Land die schulpsychologischen Dienste ausgebaut. An den 28 Standorten der Schulpsychologischen Beratungsstellen im Land wurden laut Kultusministerium zusätzlich 94 Stellen geschaffen. Insgesamt gibt es heute knapp 200 Schulpsychologen und -psychologinnen. Sie beraten Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Schulleitungen und unterstützen Schulen beim Krisenmanagement.
Das Ziel sei es, Schulen zu befähigen, dass sie Gewaltvorfälle und Krisenereignisse richtig einschätzen können, so ein Sprecher des Kultusministeriums auf SWR-Anfrage. So sollen die Schulen geeignete Maßnahmen veranlassen können. Die Antwort auf Gefahr könne nicht sein, Schulen in Festungen zu verwandeln.
Polizeigewerkschaft: Mehr Training für Einsatzkräfte
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Baden-Württemberg zeigt sich grundsätzlich damit zufrieden, wie das Land auf den Amoklauf in Winnenden reagiert hat. Schon bald nach der Tat sei die Polizei mit besserer Schutzausrüstung ausgestattet worden, zum Beispiel mit ballistischen Helmen für die Streifenpolizei, berichtet der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer auf SWR-Anfrage.
Zuvor waren die meist nur für Spezialeinheiten vorgesehen. Auch an Schulen sei in den vergangenen Jahren viel in die Sicherheit investiert worden, zum Beispiel durch Schließmechanismen von Türen. Allerdings dürfe man sich nie mit dem Status Quo zufriedengeben, so Kusterer. Bei der Schutzausrüstung und der Ausbildung von Einsatzkräften müsse man immer auf dem neuesten Stand bleiben.
Verein in Winnenden engagiert sich für Präventionsarbeit
Trotz aller Maßnahmen kommen am Tag des Amoklaufs in Graz auch die Erinnerungen bei den Menschen in Winnenden wieder hoch. "Das sind genau die gleichen Situationen wie damals in Winnenden, daran hat sich nichts geändert", sagt Tobias Sellmaier vom Verein für Präventionsarbeit Winnenden.
Mit dem Verein wollen die Beteiligten vor allem Eltern und Lehrkräften Mittel für Gewaltprävention an die Hand geben. Dazu veranstalten sie beispielsweise Infoabende mit Fachreferenten und Deeskalationstrainern. "Wenn man dadurch nur eine Tat verhindern kann und Menschenleben retten kann, dann hat es sich schon gelohnt", so Sellmaier. Bei Taten wie diesen müsse die gesamte Gesellschaft zusammenstehen, um die Betroffenen aufzufangen.
Landesregierung: Opfer dürfen nicht alleingelassen werden
Die Landesregierung hat 2020 einen Opferbeauftragten ernannt. Er soll Opfer und Hinterbliebene zum Beispiel von terroristischen Anschlägen und Amoktaten, bei der Bewältigung des Erlebten unterstützen. Laut dem aktuellen Opferschutzbeauftragten der Landesregierung, Alexander Schwarz, beginnt diese Unterstützung bei der psychosozialen Notfallversorgung vor Ort und geht bis zur Gestaltung eines langfristigen Gedenkens auch viele Jahre nach einer Tat.
Eine der Betroffenen war Gisela Mayer - sie verlor vor 16 Jahren ihre Tochter beim Amoklauf in Winnenden. Durch die Bilder aus Graz fühlt sie sich an die damalige Situation erinnert. "Ich kann mir so genau vorstellen, was die Eltern, die Angehörigen, die Geschwister jetzt fühlen", sagt Mayer auf Nachfrage des SWR. Sie gründete damals ein Aktionsbündnis, um solche Gewalttaten zu verhindern - seither habe sich einiges getan: "Ja, ich denke, Schulen sind besser ausgerüstet und besser vorbereitet, was allerdings nicht heißt, dass so etwas nicht wieder passieren kann."
Sendung am Di., 10.6.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Nachrichten