
Baden-Württemberg Kiefer, Fichte, Eiche: Interaktive Karte zeigt Folgen des Klimawandels in Wäldern von BW
Der Klimawandel hat schon jetzt enorme Auswirkungen auf die Wälder. Eine neue Studie zeigt erstmals, was sich verändern könnte, wenn der Golfstrom kollabiert.
Zwischen hochgewachsenen Kiefern und Eichen im Hardtwald bei Karlsruhe ist eine freie Fläche. Auf ihr stehen kleine Bäume im Abstand von etwa drei Metern nebeneinander. Es sieht ein bisschen aus wie eine Weihnachtsbaum-Plantage. "Wir versuchen neue Erfahrungen mit Baumarten zu gewinnen", sagt Alexander Abt. Er ist Förster bei Forst BW, einem Unternehmen, das mehr als 300.000 Hektar Staatswald verwaltet.
Auf der Versuchsfläche stehen die Baumarten Douglasie, Atlas-Zeder, Libanon-Zeder und Elsbeere - Kandidatinnen für den Wald der Zukunft. Die Fläche betreibt Forst BW gemeinsam mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Der Grund: Durch den Klimawandel verändert sich der Wald.
Förster wie Alexander Abt sehen die Folgen jeden Tag: Bäume sind von Misteln, Pilzen und Viren befallen, sie sind "angezählt". Die Experimente mit heimischen wie nicht-heimischen Arten sind der Versuch mit den Veränderungen Schritt zu halten.
"Der Klimawandel ist ein Unsicherheitsfaktor, weil man nicht weiß, worauf man sich einstellen muss", sagt der Landschaftsökologe Allan Buras. Gemeinsam mit zwei Wissenschaftlerinnen der TU München und der ETH Zürich hat er in einer neuen Studie die Auswirkungen der Klimakrise auf 24 europäische Baumarten untersucht. Sie erschien im Fachjournal “Global Change Biology”.
Erstmals haben die Forschenden dabei auch die Folgen eines möglichen Zusammenbruchs der Atlantischen Meridionalen Umwälzströmung (AMOC) - zu der auch der Golfstrom gehört - in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts betrachtet. In diesem Szenario würde das Klima in Europa nicht heißer, sondern kälter und trockener werden - Bedingungen wie sie heute etwa in Mittelkanada vorherrschen.
Was zunächst wie die Lösung der Klimakrise klingt, ist tatsächlich ein fatales Szenario. Denn ausgelöst würde der AMOC-Kollaps hauptsächlich durch die klimawandelbedingte Eisschmelze - das bedeutet bevor es abkühlen würde, würde es zunächst heißer werden.
Die Folgen für europäische Wälder wären gravierend: In Nordwestskandinavien verschwände der Wald nahezu komplett. In den verbleibenden Waldgebieten Südskandinaviens wären Wachstumsphasen kürzer und dadurch die Fähigkeit CO2 zu binden deutlich niedriger. Die Artenvielfalt würde noch stärker zurückgehen. Die Studien-Autorinnen und -Autoren sprechen von voraussichtlich "katastrophalen ökologischen Konsequenzen".
Die Studie zeigt: In den untersuchten Szenarien schrumpft der klimatisch geeignete Lebensraum der aktuell häufigsten Baumarten in Baden-Württemberg - Fichte, Buche, Tanne und Eiche - in den kommenden Jahrzehnten teils drastisch. Verbleibende Bestände weichen vor dem zunehmend heißen und trockenen Klima nach Nordeuropa und Skandinavien.
Ein Zusammenbruch der AMOC würde Temperatur und Niederschlag in Europa abrupt senken. In Baden-Württemberg würden die klimatischen Bedingungen für die häufigsten Baumarten zwar wieder besser werden, bestehende Verluste könnten aber nicht vollständig zurückgewonnen werden. Eine Ausnahme bildet die Stieleiche: Für sie würden im Fall eines AMOC-Kollapses bessere Bedingungen herrschen als heute.
Wahrscheinlichstes Szenario: 2,7 Grad bis 2100
Die Studie fokussiert sich auf das Szenario, das eine globale Erwärmung von 2,7 Grad bis 2100 vorhersagt, da es laut aktuellen Prognosen am wahrscheinlichsten sei. Ob es zu einem AMOC-Kollaps kommen wird, ist allerdings ungewiss. Zuletzt erschien eine Studie in der Fachzeitschrift "Nature", die einen Zusammenbruch in diesem Jahrhundert für sehr unwahrscheinlich erklärt.
In welche Richtung soll der Waldumbau also gehen? Mediterranes Klima oder kalte Temperaturen wie in Kanada? "Wenn du in den Urlaub fährst, kann du auch nicht immer die Strandsachen und die Skier einpacken. Du musst dich entscheiden.", sagt Förster Alexander Abt. Bei Forst BW habe man sich entschieden. "Wir rechnen mit heißem und trockenem Klima."
Klar ist: Der baden-württembergische Wald würde sich auch ohne das AMOC-Kollaps-Szenario stark verändern: Fichten sind heute die am häufigsten vorkommende Bäume in Baden-Württemberg. Laut der 2,7-Grad-Vorhersage hätte die Gemeine Fichte im Jahr 2100 bis auf wenige Gebirgslagen kaum noch geeignete Lebensräume. Auch die Rotbuche würde in Baden-Württemberg seltener gute Bedingungen finden.
Noch am besten würde trotz großer Einbußen der Stieleichen-Bestand überleben, da diese Sorte im Vergleich zu Fichte und Buche etwas besser mit Trockenheit klarkommt. Mediterrane Arten wie Steineiche und Seekiefer, die heute in Deutschland eher selten sind, könnten sich bei einer Erwärmung um 2,7 Grad hingegen ausbreiten.
Wie genau der Wald der Zukunft aussehen wird, hängt aber von mehr als nur den klimatischen Bedingungen ab. Der Boden und die Konkurrenz unter den Bäumen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Testflächen, wie die im Hardtwald, werden Rückschlüsse auf gut geeignete Baumarten zulassen - allerdings erst in 30 bis 40 Jahren. "Forstliche Forschung braucht Zeit, das können wir leider nicht verkürzen", sagt Förster Alexander Abt.
Sendung am Do., 24.4.2025 11:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten