
Verfassungsschutz AfD "gesichert rechtsextremistisch"
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat eine Neubewertung der AfD auf Bundesebene vorgenommen. Demnach bestehen keine Zweifel mehr, dass die Partei insgesamt rechtsextremistisch ist.
Bisher wurde die AfD auf Bundesebene vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer "Verdachtsfall" eingestuft und beobachtet. Heute Vormittag informierte das Bundesamt die Öffentlichkeit, dass die Gesamtpartei nun als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" bewertet wird. In einer Pressemitteilung heißt es, die Anhaltspunkte hätten sich "verdichtet".
Das heißt, für den Verfassungsschutz ist erwiesen, dass die AfD insgesamt rechtsextremistisch und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist. Die Entscheidung bedeutet eine deutliche Verschärfung der Bewertung, aber sie kommt nicht völlig überraschend.
1.000 Seiten Gutachten
Grundlage dafür ist eine umfangreiche Materialsammlung, die bis zuletzt vom Verfassungsschutz immer wieder aktualisiert wurde: Das Gutachten des Bundesamts umfasst nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio und SWR mehr als 1.000 Seiten und soll belegen, warum die AfD nach Einschätzung der Verfassungsschützer verfassungsfeindlich ist. Maßgeblich sind Verstöße gegen die Menschenwürde, das Rechtsstaats- oder das Demokratieprinzip.
Der Verfassungsschutz unterscheidet bei Beobachtungsobjekten zwischen Prüffall, Verdachtsfall und "erwiesen extremistischer Bestrebung". Die AfD war 2019 auf Bundesebene zunächst als Prüffall vom Bundesamt eingestuft worden. In diesem Stadium darf der Verfassungsschutz lediglich öffentliche Äußerungen von AfD-Funktionären sammeln und bewerten.
Die AfD wehrte sich vom ersten Tag an sowohl gegen die Beobachtung durch den Inlandsnachrichtendienst als auch dagegen, dass der Verfassungsschutz diese Bewertung auch öffentlich machte. Im Februar 2021 wurde die AfD zum rechtsextremistischen Verdachtsfall heraufgestuft, was zunächst vom Verwaltungsgericht Köln und im Mai 2024 auch vom Oberverwaltungsgericht Münster für rechtmäßig erklärt wurde, nachdem die Partei geklagt hatte.
Beobachtung der AfD
Mit der Einstufung als Verdachtsfall darf der Verfassungsschutz auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel bei der Beobachtung einsetzen, wie beispielsweise die Anwerbung menschlicher Quellen oder Finanzermittlungen durchführen. Auch Maßnahmen zur Kommunikationsüberwachung sind zulässig, allerdings nur nach vorheriger Genehmigung durch die G10-Kommission des Deutschen Bundestags.
An diesem Instrumentarium ändert sich durch die Neubewertung nichts. Eine letztinstanzliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig in der Frage, ob die Einstufung als Verdachtsfall rechtmäßig ist, steht noch aus. Dabei geht es jedoch nicht mehr um die inhaltliche Begründung, sondern ausschließlich um mögliche Verfahrensfehler bei der Einstufung. Außerdem hatte das Oberverwaltungsgericht Münster den Verfassungsschutz in seinem Urteil aufgefordert, bald zu einer Einschätzung zu kommen, ob der Verdacht auf Extremismus sich bestätigt habe oder nicht.
Mit der Heraufstufung zur "erwiesen rechtsextremistischen Bestrebung" war bereits im vergangenen Jahr gerechnet worden. Dem Vernehmen nach nahm der Verfassungsschutz aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl jedoch zunächst Abstand davon, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Chancengleichheit der Parteien im Wahlkampf verletzt zu haben.
Es gilt als sicher, dass die AfD auch gegen die Neubewertung durch das Bundesamt vor Gericht ziehen wird. Gegenüber der Öffentlichkeit hat die AfD die Beobachtung durch den Verfassungsschutz stets als politisch motiviert bezeichnet. Einzelne Landesverbände der Partei sind bereits als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft: in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Seit heute nun auch die Bundespartei.
Kommt ein Verbotsverfahren?
Mit der Neubewertung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz dürfte die Debatte um ein Verbotsverfahren gegen die AfD neu entfacht werden. Allerdings gibt es keinerlei Automatismus: Die Bewertung als "erwiesen rechtsextremistisch" ist weder die Voraussetzung dafür, noch ist ein Verbotsverfahren die zwangsläufige Folge.
Es ist vielmehr eine politische Entscheidung: Ein Verbotsverfahren können nur Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf den Weg bringen, indem sie es beim Bundesverfassungsgericht beantragen, das dann darüber zu entscheiden hat.
Eine Initiative für einen Verbotsantrag aus der Mitte des Bundestags, angestoßen vom damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz, war im Januar gescheitert, weil es nicht genügend Unterstützer gab.