
Führungspositionen Zehn Jahre Frauenquote - was hat sie gebracht?
Vor zehn Jahren trat für die Wirtschaft das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen in Kraft. Klar ist: Es hat gewirkt. Andere Länder liegen aber weiterhin vor Deutschland - auch ohne Quote.
Ein Gesetz, das Vorgaben für die Besetzung des Managements macht - in der Wirtschaft empfanden das viele als übergriffig. Doch genau darauf hatten sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag 2013 geeinigt. Die Zeit der freiwilligen Selbstverpflichtungen sei vorbei, so begründete die CDU-Politikerin Nadine Schön die Zustimmung ihrer Partei zu dem Gesetz, das die damalige Familienministerin Manuela Schwesig von der SPD mit den Worten einbrachte: "Ein historischer Schritt: Die Quote kommt."
Die Quote - das war und ist der Kern des so genannten Führungspositionen-Gesetzes: 2015 wurde zunächst eine Mindestquote von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten größerer Unternehmen festgelegt. 2021 folgte dann eine weitere Vorgabe für die Besetzung von Vorständen: Demnach muss ein Vorstandsposten weiblich besetzt werden, wenn ein Unternehmensvorstand in einem börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen aus mehr als drei Personen besteht. Weitere Regeln gelten für Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand.
37,5 Prozent der Aufsichtsräte sind weiblich
Seitdem hat sich tatsächlich einiges getan: Laut der Initiative FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) sind inzwischen 37,5 Prozent der Aufsichtsräte in der Privatwirtschaft Frauen, 2015 waren es knapp 20 Prozent. Mit der Geschlechterquote sei der entscheidende Durchbruch für die gleichberechtigte Teilhabe in den Führungspositionen der Wirtschaft gekommen, so die Einschätzung von FidAR-Präsidentin Anja Seng. Davor habe es "quasi keinen Fortschritt" gegeben.
In anderen Ländern geht es auch ohne Quote
Jährliche Berichte zum Thema Frauen in Führungspositionen gibt auch die private AllBright-Stiftung heraus, die sich für mehr Frauen und Diversität in der Wirtschaft einsetzt. Laut Geschäftsführerin Wiebke Ankersen waren 2015 in den Vorständen der börsennotierten Unternehmen sechs Prozent Frauen, heute sind es rund 20 Prozent.
Vier der vierzig Vorstandsvorsitzenden von DAX-Unternehmen sind Frauen: Belén Garijo (Merck), Helen Giza (Fresenius Medical Care), Bettina Orlopp (Commerzbank) und Karin Radström (Daimler Trucks). Es habe also eine Entwicklung stattgefunden, sagt Ankersen im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Aber Deutschland hinkt weiter hinterher." International gesehen seien andere Länder wesentlich weiter und schneller vorangekommen, obwohl sie keine Quote gehabt haben.
Kümmern sich auch Männer um die Kinder?
Sehr wichtig sei nämlich das gesellschaftliche Umfeld. Es müsse beispielsweise ausreichend Kinderbetreuungsangebote geben - und durchaus auch einen Mentalitätswandel: "Wenn wir mehr Frauen in Führungspositionen sehen wollen, brauchen wir, verkürzt gesagt, auch mehr Männer in Teilzeit und mehr Männer, die mit dem kranken Kind zu Hause bleiben", sagt Ankersen.
Hier könnten Unternehmen entsprechende Impulse setzen. Zum Beispiel, indem sie junge Väter ermuntern, nicht nur zwei Monate Elternzeit zu nehmen, sondern indem sie deutlich machen: "Wir freuen uns, wenn du die Hälfte der Elternzeit übernimmst." Damit könnten Unternehmen durchaus starke Signale senden und Einfluss nehmen.
Paus: Bei Personalentwicklung noch eine Schippe drauflegen
Auch die scheidende Familienministerin Lisa Paus appelliert an die Wirtschaft, Frauen die Wege ins Management zu erleichtern: Damit Frauen in Führungspositionen ankommen, müsse es schon vorher entsprechende Unterstützung geben. Paus denkt dabei an Personalentwicklungskonzepte für Frauen, "wo man tatsächlich noch eine Schippe drauflegen kann".
Bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) stößt die Grünen-Politikerin mit diesem Appell auf offene Ohren. Wobei Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov vor zusätzlichen Vorschriften für die Wirtschaft warnt und auf eigene Angebote zur Stärkung von Frauen im Management verweist: "Wir sprechen mit unserem Netzwerk IHK Business Women gezielt Frauen an, um ihnen das Unternehmertum, Gründungen und auch eine mögliche Selbständigkeit näher zu bringen."
Zwei wesentlichen Punkte für mehr Frauen in Verantwortung seien aber Kinderbetreuung - als Thema für Väter und Mütter, betont Melnikov - sowie Arbeitszeitflexibilität. Denn - und in diesem Punkt sind sich Vertreter von Politik und Wirtschaft einig - Frauen sollten auf allen Unternehmensebenen stärker sichtbar werden. Auch wenn sich das Führungspositionen-Gesetz allein auf die Top-Jobs in der Wirtschaft bezieht.