
Christopher Street Day Kritik an CSD-Absage aus der Bundestagsverwaltung
Die queere Gruppe der Bundestagsverwaltung darf diesmal nicht beim Berliner Christopher Street Day mitlaufen. Begründet wird das mit ihrer Neutralitätspflicht. Die Kritik an der Entscheidung wird lauter.
Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion haben Bundestagspräsidentin Julia Klöckner aufgefordert, eine Teilnahme der queeren Gruppe der Bundestagsverwaltung am diesjährigen Berliner Christopher Street Day zu ermöglichen. Diese Teilnahme war zuvor von der Hausleitung untersagt worden, der die CDU-Politikerin vorsteht.
In einem Brief der sechs Abgeordneten an Klöckner und den Direktor beim Deutschen Bundestag, heißt es, die Absage der Teilnahme habe man "mit großem Befremden" zur Kenntnis genommen. "Wir halten dies für ein falsches und in der aktuellen gesellschaftlichen Lage leider auch fatales Signal", heißt es in dem Schreiben, den Sonja Eichwede, Carmen Wegge, Dagmar Schmidt, Sebastian Fiedler, Falko Droßmann und Jasmina Hostert unterzeichnet haben.
Eichwede und Schmidt sind stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Wegge ist rechtspolitische Sprecherin, Fiedler Sprecher für Inneres. Hostert ist Sprecherin für Bildung und Familie, Droßmann für Queerpolitik.
Verweis auf Neutralitätspflicht
Der Berliner CSD e.V. hatte mitgeteilt, das Regenbogennetzwerk des Bundestags sei 2023 und 2024 dabei gewesen. Nun habe die geplante Fußgruppe auf Weisung der Verwaltungsspitze zurückgezogen. Nach Angaben des Parlaments hatte der von Bundestagspräsidentin Klöckner neu berufene Direktor Paul Göttke diese Entscheidung getroffen.
Göttke begründete sie damit, "dass die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen teilnimmt". Einzelnen Beschäftigten stehe die Teilnahme am CSD jedoch frei.
SPD fordert Rücknahme der Absage
Die Begründung, dass eine Beteiligung von Beschäftigten der Bundestagsverwaltung aus Neutralitätsgründen nicht zulässig sei, sei besonders irritierend, heißt es in dem Brief der SPD-Abgeordneten, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Schließlich gehe es bei der Veranstaltung auch darum, sich für die Werte des Grundgesetzes einzusetzen, zu denen die Achtung der Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot zählten.
"Wir bitten Sie daher nachdrücklich, die Entscheidung zu überdenken und der Bundestagsverwaltung eine offizielle und sichtbare Beteiligung am diesjährigen CSD in Berlin zu ermöglichen", schreiben die Abgeordneten. Zuvor hatten sich Abgeordnete von Grünen und Linken mit entsprechenden Aufrufen an Klöckner gewandt. Sie wiesen ebenfalls darauf hin, dass queere Menschen unter wachsendem Druck stünden.
"Einknicken vor rechten Tendenzen"
Auch die Queerbeauftragte des Bundes, Sophie Koch, äußerte sich kritisch. "Wenn die Teilnahme solcher Mitarbeitenden-Netzwerke untersagt oder erschwert wird, halte ich das für ein falsches und unnötiges Signal - gerade in der jetzigen Zeit", sagte Koch der Nachrichtenagentur dpa. Sie würde sich wünschen, dass in Zukunft "alle Beteiligten vor solchen Entscheidungen miteinander in den Dialog treten würden".
Ver.di-Chef Frank Werneke sagte der dpa: "Es ist unverständlich, absolut nicht zu akzeptieren und ein gesellschaftspolitischer Rückschritt, dass die Bundestagsverwaltung ihren Beschäftigten eine sichtbare Teilnahme am Berliner CSD und das Hissen der Regenbogenflagge am Bundestagsgebäude wegen einer vermeintlich gewünschten politischen Neutralität untersagt hat." Das sei ein "Einknicken vor rechten Tendenzen". Die Gewerkschaft erwarte, dass die Behördenleitung das "de facto-Demonstrationsverbot" zurücknehme.
Klöckner gegen Beflaggung zum CSD
Im Mai hatte schon für Aufsehen gesorgt, dass Julia Klöckner künftig nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie (17. Mai) die Regenbogenflagge am Reichstagsgebäude hissen lassen will und nicht mehr zum Berliner CSD. 2022 war die Regenbogenflagge erstmals auf dem Bundestag gehisst worden.
Klöckner ließ mitteilen, zum CSD keine Rainbow-Beflaggung mehr zuzulassen, da der Christopher Street Day "als Tag der Versammlung, des Protests und der Feier von seiner kraftvollen Präsenz auf den Straßen lebt".
Bundesfamilienministerium plant Teilnahme
Das Bundesfamilienministerium will sich anders als der Bundestag wie in den Vorjahren am Christopher Street Day in Berlin beteiligen. "Unser Ministerium wird auch in diesem Jahr wieder mit einem eigenen Wagen beim Berliner CSD vertreten sein", sagte Ressortchefin Karin Prien (CDU) der "taz".
Dies sei "ein wichtiges Zeichen für die Anerkennung und den Respekt vor der Vielfalt in unserer Gesellschaft", so Prien. Sie verwies weiter auf die Bedeutung eines solchen Zeichens "gerade angesichts zunehmender Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität weltweit und leider auch in Deutschland".
Parade für Gleichstellung queerer Menschen
Für den Zeitraum zwischen Juni und September 2024 zählte die Bundesregierung 22 Proteste gegen öffentliche CSD-Umzüge. Die Protestierenden seien überwiegend Personen aus der gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene gewesen.
Der CSD wird im Sommer in vielen Städten begangen. Er erinnert vom Namen her an Aufstände der queeren Community in der Christopher Street in New York von 1969. Er steht für die Gleichstellung queerer Menschen. Die Parade in Berlin ist für den 26. Juli geplant.