
Arbeitsplatz Viele Beschäftigte erleben sexuelle Belästigung
Anzügliche Blicke, übergriffige Worte, unerwünschte Nähe - 20 Prozent der Beschäftigten haben das laut einer Studie schon im Arbeitsalltag erlebt. Die Folgen von sexueller Belästigung sind schwerwiegend, nicht nur für die Betroffenen.
20 Prozent der Beschäftigten haben laut einer Befragung selbst oder in ihrem Arbeitsumfeld sexuelle Belästigung erlebt. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkts- und Berufsforschung (IAB) hervor.
Der Anteil der betroffenen Frauen war demnach mit 24 Prozent deutlich höher als der der Männer mit 15 Prozent. Dabei unterschieden sich Frauen und Männer nicht in der Wahrnehmung, welches Verhalten eine sexuelle Belästigung darstellt.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes definiert als sexuelle Belästigung jedes sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwünscht ist. Dazu zählen nicht nur verbale und physische Belästigungen wie sexualisierte Sprüche oder unerwünschte Berührungen, sondern auch anzügliche Blicke oder das Zeigen pornografischer Bilder
Negative Folgen für Arbeitsmoral
Die Studie basiert auf zwei Umfragen, sowohl unter Beschäftigten als auch unter Betrieben mit 50 oder mehr Mitarbeitenden, in den Jahren 2023 und 2024.
In rund 13 Prozent der befragten Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigen gab es den Forschenden zufolge in den vergangenen zwei Jahren Fälle von sexueller Belästigung. In den meisten Fällen gingen diese von den Beschäftigten aus. Seltener waren Kunden oder externe Personen beteiligt. In einem von 100 Betrieben habe es Berichte über Fälle sexueller Belästigung mit Beteiligung einer Führungskraft gegeben.
Eine Mehrheit der Betriebe berichtete von negativen Folgen für Arbeitsmoral oder Produktivität. In jedem zweiten Betrieb hätten sich Abwesenheitszeiten erhöht und auch die Fluktuation des Personals. Belästigung könne also auch wirtschaftliche Schäden verursachen, so das Fazit der Forschenden.
Frauen mit wenig Vertrauen in Gegenmaßnahmen
Etwa zwei Drittel der Beschäftigten erwarten bei Belästigungsvorwürfen eine klar Reaktion vom Arbeitgeber. Frauen äußerten jedoch deutlich weniger Vertrauen in betriebliche Gegenmaßnahmen als Männer.
Ein systematischer und präventiver Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sei daher nicht nur eine Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, sagt IAB-Forscherin Stefanie Wolter. Es "dient auch der betrieblichen Resilienz und der langfristigen Beschäftigtenbindung".
Zwei Umfragen als Basis
Für die Studie wurden zwei Datensätze des IAB genutzt: Das Online-Panel for Labour Market Research (IAB-OPAL) befragt seit Oktober 2023 regelmäßig Erwerbspersonen im Alter von 18 bis 65 Jahren (ohne Beamte und Selbstständige). Die Fragen zu sexueller Belästigung waren Teil einer Ad-hoc-Befragung im Dezember 2024 mit 2.814 Beschäftigten.
Ergänzend wurden Daten aus dem Linked Personnel Panel (IAB-LPP) herangezogen, das seit 2012 Betriebs- und Beschäftigtenperspektiven verknüpft. Für die aktuelle Auswertung wurden 738 Betriebe und 5.147 Beschäftigte berücksichtigt. Beide Befragungen basieren auf der Definition sexueller Belästigung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Das IAB ist die Forschungsstelle der Bundesagentur für Arbeit.