
Grenzkontrollen Dobrindt will Zurückweisungen vor EU begründen
Die Rechtsgrundlage für das verschärfte Vorgehen an den deutschen Grenzen ist umstritten. Der Bundesinnenminister verteidigt sich und will der EU-Kommission den Standpunkt der Bundesregierung genau erläutern.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat angekündigt, der EU-Komission eine rechtliche Begründung für die verschärften Grenzkontrollen zu liefern. Dabei geht es konkret um die Zurückweisung von Asylsuchenden. Der CSU-Politiker Dobrindt hatte es der Bundespolizei am 7. Mai ausdrücklich erlaubt, Menschen auch dann zurückzuschicken, wenn sie ein Schutzgesuch äußern.
Kritikerinnen und Kritiker halten das für rechtlich fragwürdig. Auch Vorgängerregierungen hatten ein solches Vorgehen mit Verweis auf das europäische Recht abgelehnt. Es verpflichtet Mitgliedstaaten dazu, zumindest zu prüfen, welcher Staat für das Asylverfahren zuständig ist.
Abweichungen vom EU-Recht nur in Ausnahmen
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, ob die für Brüssel verfasste Begründung auch veröffentlicht werde, sei noch nicht entschieden. Die Bundesregierung beruft sich bei ihrer Entscheidung allein auf nationales Recht. EU-Recht hat allerdings Vorrang vor nationalem Recht. Staaten dürfen nur in wenigen Ausnahmen davon abweichen.
Als Bedingung nennt ein Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, dass das "für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit" erforderlich ist. Aus der Bundesregierung gibt es widersprüchliche Angaben dazu, inwiefern sie sich bei den Zurückweisungen auf diesen Notlagenparagrafen beruft.
In der vergangenen Woche forderten die Grünen und die Linkspartei Aufklärung über die Rechtsgrundlage der Maßnahme. Auf die Frage von Journalistinnen und Journalisten, ob auch die EU-Kommission Aufklärung verlangt habe, sagte der Sprecher von Dobrindt, das sei nicht notwendig gewesen. Man sei selbst daran interessiert, "die EU-Kommission darüber zu informieren, was wir tun".
Polizei: Grenzkontrollen nicht mehr lange machbar
Der neue Bundesinnenminister hatte wenige Stunden nach seinem Amtsantritt eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können - dies sieht der Koalitionsvertrag von Union und SPD vor, und zwar "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn". Binnen einer Woche stieg dem Minister zufolge die Zahl der Zurückweisungen um fast die Hälfte.
Auch bei der Umsetzung gibt es Unsicherheiten. Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind die verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen und Zurückweisungen von Asylsuchenden nicht lange durchzuhalten. "Das schaffen wir nur, weil Dienstpläne umgestellt wurden, die Fortbildungen der Einheiten aktuell auf Eis liegen und derzeit der Abbau von Überstunden gestoppt ist", sagte der Vorsitzende der Bundespolizei in der GdP, Andreas Roßkopf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Klar ist: Die intensiven Kontrollen kann die Polizei nur noch einige Wochen aufrechterhalten." Weit über 1.000 Bereitschaftspolizistinnen und Bereitschaftspolizisten seien seit Tagen im Grenzraum im Einsatz. Roßkopf stellte zugleich klar, dass die Polizeigewerkschaft hinter dem Bemühen der Politik stehe, die "irreguläre Migration nach Deutschland auch mit Grenzkontrollen durch die Bundespolizei zu reduzieren".
SPD sieht Risiko für europäische Zusammenarbeit
Für den SPD-Innenexperten Lars Castellucci birgt der deutsche Weg jedoch auch Gefahren. Mit unabgestimmten Zurückweisungen gehe man etwa das Risiko ein, "dass unsere europäischen Nachbarn den gemeinsamen Kurs der Asylreform in Europa verlassen und auf nationale Maßnahmen setzen", sagte er den Funke-Zeitungen. In der Migration könne Deutschland aber "nur gemeinsam mit unseren Nachbarn erfolgreich sein".
Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, sagte gestern, die Grenzkontrollen kämen in Brüssel "ganz, ganz schlecht" an. Die bisherigen Erfolge der Maßnahmen nannte die SPD-Politikerin "sehr überschaubar". Man dürfe nicht so tun, als könne man mit den Maßnahmen bereits das Problem lösen, so Barley. "Wir erwecken eine Erwartungshaltung bei den Bürgern, die man nicht erfüllen kann." Sie sprach sich stattdessen für sogenannte Schleierfahndungen aus, bei denen die Polizei verdeckte oder anlassunabhängige Personenkontrollen durchführen kann.
Union verteidigt schärfere Kontrollen
Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic warnte vor einer sich zuspitzenden Belastung für die Bundespolizei: "Wenn das noch zwei bis drei Wochen gut geht, dann geht es lange gut", so Mihalic bei RTL/ntv. Sie verwies auf Zwölf-Stunden-Dienste und gestrichene Fortbildungen für die Beamtinnen und Beamten. Diese seien bereits an der Belastungsgrenze angelangt.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, wies Kritik an den Maßnahmen zurück und sagte, die Grenzkontrollen zeigten bereits Wirkung. "Deutschland ist nicht mehr der Magnet für Migration in Europa. Ein solches Signal einer restriktiveren Migrationspolitik in Deutschland haben sich unsere europäischen Nachbarn seit vielen Jahren erhofft", sagte der CDU-Politiker den Funke-Zeitungen. Die Zusammenarbeit an der Grenze funktioniere "weitestgehend reibungslos".