Wolodymyr Selenskyj

Gespräche in Istanbul Ukraine-Spitzentreffen endgültig geplatzt

Stand: 15.05.2025 17:23 Uhr

Nach Putin und Trump hat auch der ukrainische Präsident Selenskyj eine Teilnahme an den Ukraine-Verhandlungen in Istanbul abgesagt. Stattdessen schickt er seinen Verteidigungsminister. Wann die Gespräche starten, ist unklar.

Am Wochenende hatte Russlands Präsident Wladimir Putin höchstselbst direkte Verhandlungen mit der Ukraine vorgeschlagen - und für ein paar Tage schien es, als könne es Bewegung in den Verhandlungen um ein Ende des russischen Angriffkrieges gegen die Ukraine geben. Doch diese Hoffnung hat sich allem Anschein nach vorerst zerschlagen.

Nach den Absagen von Kremlchef Putin und US-Präsident Donald Trump hat auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, nicht an den Gesprächen in Istanbul teilzunehmen. Die ukrainische Delegation, die befugt sei, über eine Waffenruhe zu verhandeln, werde von Verteidigungsminister Rustem Umjerow angeführt, sagte Selenskyj.

Delegationen sollen bei Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland verhandeln

tagesschau24, 15.05.2025 18:00 Uhr

Unklarer Zeitplan

Nach Angaben von Selenskyj ist unklar, wann genau die Gespräche beginnen - ob noch am Donnerstag oder erst am Freitag. Die ukrainische Delegation werde jedenfalls bis Freitag in Istanbul bleiben, kündigte der ukrainische Staatschef an. 

Die russische Delegation kam laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstagmorgen in Istanbul an. Kommen russische und ukrainische Vertreter tatsächlich in Istanbul zusammen, wären das die ersten direkten Gespräche seit dem Frühjahr 2022 kurz nach Kriegsbeginn.

Selenskyj hofft dennoch auf Verhandlungserfolg

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak betonte, Selenskyj werde nur mit Putin persönlich verhandeln. Als Zeichen seiner Bereitschaft, den Krieg beenden zu wollen, habe er sich entschieden, trotz allem eine Delegation nach Istanbul zu schicken, sagte Selenskyj dann nach Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Das solle auch ein Signal des guten Willens gegenüber US-Präsident Donald Trump sein, sagte Selenskyj. Ziel sei es, "zumindest die ersten Schritte zur Deeskalation, die ersten Schritte zur Beendigung des Krieges - nämlich eine Waffenruhe - zu versuchen".

Erdoğans Büro teilte mit, dass die Türkei bereit sei, Selenskyj und Putin zu Friedensgesprächen zu empfangen, "wenn sie dazu bereit sind".

Moskau hält Ukraine lange hin

Bis zuletzt hatte Moskau offen gelassen, wer für die russische Seite an den Verhandlungen teilnehmen wird. Noch am Mittwochvormittag hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow betont, die Entscheidung werde dann bekannt gegeben, wenn Putin die entsprechenden Anweisungen gegeben habe. Am Abend veröffentlichte der Kreml schließlich die Liste mit den Namen seiner Delegation - und enttäuschte damit Hoffnungen auf Gespräche auf höchster Ebene.

Präsidentenberater Medinski an Spitze der Delegation

Neben Putin gehört auch der russische Außenminister Sergej Lawrow nicht zu der Delegation, die für Russland verhandeln soll. Stattdessen wird sie laut Kreml von Präsidentenberater Wladimir Medinski angeführt. Der einstige Kulturminister gilt eher als politisches Leichtgewicht und wird international für die Verbreitung von Kreml-Propaganda kritisiert. So vermittelte der 54-Jährige in Schulbüchern eine unter Historikern umstrittene Sichtweise der russischen und ukrainischen Geschichte. Wissenschaftler und Kremlkritiker werfen ihm bewusste Fälschungen und Geschichtsklitterung vor.

Es ist nicht das erste Mal, dass Medinski für Russland verhandeln soll. Auch 2022 war er an den damaligen Gesprächen zur Beendigung des Krieges beteiligt, die ebenfalls in der Türkei stattfanden, aber am Ende ohne Ergebnis blieben.

Selenskyj nennt russische Delegation "dekorativ"

Mit der Besetzung der Delegation bleibt der Kreml weit hinter der Forderung zurück, auf die der ukrainische Präsident Selenskyj immer wieder gedrängt hatte, seit Putin direkte Verhandlungen ins Spiel gebracht hatte. Bei seiner Ankunft in Ankara kritisierte Selenskyj die russische Delegation als "dekorativ" und nannte sie ein "Täuschungsmanöver".

Auf einer Pressekonferenz in Ankara betonte Selenskyj später, dass andere Nationen mehr politischen und wirtschaftlichen Druck auf Russland ausüben und weitere Sanktionen verhängen sollten, wenn Moskau keine Bereitschaft zeige, sich auf Waffenstillstandsverhandlungen einzulassen. "Russland fühlt nicht, dass es den Krieg beenden muss, was bedeutet, dass es nicht genug politischen, wirtschaftlichen und anderen Druck auf die Russische Föderation gibt", sagte Selenskyj.

Die USA und die Europäische Union haben Russland mit weiteren schmerzhaften Sanktionen gedroht, sollten die Gespräche nicht zustande kommen. Die Europäer sind zudem entschlossen, der Ukraine dann verstärkte Militärhilfe zukommen zu lassen.

Putin gibt Delegation vor Abreise Anweisungen

Neben Medinski hat Moskau den stellvertretenden Außenminister Michail Galusin und Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin in die Türkei geschickt, zudem zählt Igor Kostjukow, Leiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU, zur Delegation. An den Gesprächen sollen des Weiteren Experten des Verteidigungsministeriums, des Generalstabs, des Außenministeriums und der Präsidialverwaltung teilnehmen.

Laut Kremlsprecher Peskow wurden den Mitglieder der Delegation noch am Mittwochabend in einer Sondersitzung von Putin Anweisungen gegeben. An dieser Sitzung hätten auch hochrangige Politiker und Berater des russischen Präsidenten teilgenommen, auch wenn diese nicht persönlich in die Türkei gereist sind.

Moskau ignoriert Ultimatum für Waffenruhe

Auch eine weitere Forderung der Ukraine und der EU blieb unerfüllt: die einer Waffenruhe vor Beginn der Gespräche in der Türkei. Am Wochenende waren Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Polens Regierungschef Donald Tusk in die Ukraine gereist - und hatten dem Kreml ein Ultimatum gestellt. Eine 30-tägige Waffenruhe ab Montag, sonst drohten weitere Sanktionen.

Moskau antwortete mit seinem Verhandlungsangebot, eine Waffenruhe lehnte der Kreml aber ab. Die Gespräche in der Türkei sollten ohne Vorbedingungen geführt werden. Zugleich gab Russland bekannt, seine Streitkräfte hätten zwei weitere Siedlungen in der ostukrainischen Region Donezk eingenommen.

US-Außenminister Rubio in der Türkei

Auch die USA drängen weiterhin auf eine 30-tägige Waffenruhe. Trump hatte immer wieder erklärt, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine rasch beenden zu wollen. Für die US-Regierung reiste Außenminister Marco Rubio in die Türkei, zunächst allerdings zu einem Treffen der NATO-Außenminister im türkischen Küstenort Antalya. Auch die Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg sollen die USA vertreten.

Trump selbst dämpfte allerdings jegliche Hoffnungen angesichts der personellen Besetzung der Verhandlungen: Es werde keine Fortschritte bei den Friedensgesprächen ohne ein Treffen zwischen ihm und Putin geben. "Nichts wird passieren, bis Putin und ich zusammenkommen", sagte Trump an Bord der Air Force One.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 15. Mai 2025 um 08:05 Uhr.