Wolodymyr Selenskyj

Eskalation zwischen Iran und Israel Der bange ukrainische Blick in den Nahen Osten

Stand: 17.06.2025 16:29 Uhr

Die Eskalation in Nahost bestimmt die Schlagzeilen und drängt andere Brennpunkte wie die Ukraine in den Hintergrund. Dort fragt man sich, wer davon auf längere Sicht profitieren könnte - Kiew oder Moskau?

Von Florian Kellermann, ARD-Studio Kiew

Es flogen noch gar keine Raketen zwischen dem Iran und Israel, da war die Ukraine schon unmittelbar von dem Konflikt betroffen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte vor mehr als einer Woche in einem Interview mit einem US-Fernsehsender: "Wir haben große Probleme mit diesen Kamikaze-Drohnen aus Russland." Bei der vorherigen US-Regierung habe man 20.000 Raketen mit einer speziellen Technologie geordert, die diese Drohnen abfangen können. "Darauf haben wir gezählt. Und gerade hat mir mein Verteidigungsminister gesagt, dass die USA diese 20.000 Raketen in den Nahen Osten geliefert haben."

Die meisten ukrainischen Beobachter gehen heute davon aus, dass die USA diese Raketen an Israel lieferten - wegen des bevorstehenden israelischen Angriffs. Die Ukraine ging leer aus.

Mehr Geld für Russlands Kriegskasse

Künftig werde die Ukraine den Konflikt in Nahost aber noch stärker zu spüren bekommen, so der ehemalige Außenminister Pawlo Klimkin im Internet-Radio NV: "Ich nehme an, dass es noch mehr Rüstungsgüter gibt, die wir derzeit nicht bekommen. Kurzfristig wirkt sich der Kampf zwischen Israel und dem Iran negativ auf uns aus." Die Aufmerksamkeit für die Ukraine werde abnehmen, und die finanziellen Ressourcen westlicher Staaten woanders hinfließen, analysiert Klimkin.

Ein anderer - für die Ukraine negativer - Effekt des Konflikts: Der globale Ölpreis ist wieder gestiegen. Russland erzielt höhere Exporterlöse und hat dadurch mehr Geld für den Krieg in der Ukraine.

Oleksandr Chartschenko von der ukrainischen Denkfabrik "Zentrum für Untersuchungen zum Energiemarkt" beschwichtigt allerdings - zumindest für den Moment: "Der Preisanstieg, den wir bisher gesehen haben, ist bisher nur auf die Erwartungen der Märkte zurückzuführen." Entscheidend werde sein, wie sich der Konflikt entwickelt und ob Israel wirklich die iranischen Ölfelder massiv beschießt, sagt er.

Wendet sich Trump noch mehr Putin zu?

Und dann ist da noch ein dritter Faktor, der die Ukraine beunruhigt: US-Präsident Donald Trump könnte noch enger an Kremlchef Wladimir Putin heranrücken. Schließlich seien beide aus verschiedenen Gründen an einem Frieden zwischen Israel und dem Iran interessiert, so Beobachter in Kiew.

Am Samstag hatten die beiden dazu bereits ein Telefongespräch. Kann Putin bei diesen Kontakten Trump auch in Sachen Ukraine weiter auf seine Seite ziehen?

Nicht, wenn der Konflikt im Nahen Osten länger andauere, meint Ex-Außenminister Klimkin: "Dann ist es wahrscheinlich, dass Trump stärker auf die europäischen Staaten zugehen muss. Im Sinne einer Arbeitsteilung: Die USA befassen sich mit dem Krieg im Nahen Osten, die Europäer mit dem Krieg in der Ukraine - aber so, dass die USA sie dabei unterstützen, etwa bei der Entsendung eines friedenssichernden militärischen Kontingents."

Das sei aber Spekulation, das räumt auch Klimkin ein. Fürs Erste dürfte der Konflikt in Nahost die Position der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland verschlechtern, meint er.

Florian Kellermann, ARD Kiew , tagesschau, 17.06.2025 14:53 Uhr