
Tschechien Schindlers Fabrik wird Holocaust-Museum
Der Unternehmer Oskar Schindler rettete in seiner Fabrik im tschechischen Brnenec einst viele Juden vor dem sicheren Tod. Jetzt wurde dort ein Holocaust-Museum eröffnet. Es soll vor allem an die Überlebenden erinnern.
Die Melodie ist wohl vielen noch im Ohr. Der Hollywoodfilm "Schindlers Liste" von Steven Spielberg war ein Kassenschlager, in vielen Schulen prägt er bis heute das Bild des Holocaust.
Doch bei der Eröffnung des Museums in Oskar Schindlers letzter Fabrik waren bewusst andere Klänge zu hören. Hier in Brnenec, auf Deutsch Brünnlitz, im Osten Tschechiens, soll nicht der umstrittene deutsche Unternehmer Schindler im Zentrum stehen, sondern die Holocaust-Überlebenden - darunter die 1.200 "Schindler-Juden", wie sich selbst viele nannten.
"Er wollte sein Volk retten, wie er sagte, seine Juden", so eine Überlebende in der Ausstellung. "Mein Vater und meine Mutter haben nicht für ihn gearbeitet. Als meine Mutter hörte, dass sie die Liste erstellen, ging sie zu einem der Männer und sagte: Du schuldest mir etwas. Und er setzte ihren Namen auf die Liste. Aber sie sagte, ich habe keine Angst. Ich weiß, dass ich überleben werde. Bitte retten sie meinen Mann. So wurde mein Vater nach Brnenec geschickt und meine Mutter nach Auschwitz."

Daniel Löw-Beer, Enkel des ursprünglichen Besitzers, will der Fabrik ihre Geschichte zurückgeben.
Schindler war auch ein Profiteur der NS-Verbrechen
1944 hatte Schindler seine Fabrik aus Polen in seine mährische Heimat verlegt, in die Nähe eines KZ-Außenlagers. Weil er seine Produktion als kriegswichtig erklären konnte, wurden seine jüdischen Zwangsarbeiter nicht nach Auschwitz deportiert.
Doch Schindler war auch ein Profiteur der NS-Verbrechen, erklärt Daniel Löw-Beer, der Enkel des ursprünglichen Fabrikbesitzers: "Mein Vater hat mir oft von der Fabrik erzählt und gesagt, dass sie uns zwar 1938 von den Nazis gestohlen wurde, aber schließlich für einen guten Zweck eingesetzt wurde."
Diese Fabrik sei untrennbar mit der Geschichte von Oskar Schindler verbunden, und dessen Geschichte gehöre zur tschechischen Geschichte. "Daher geben wir diesem Ort seine Geschichte zurück", so Löw-Beer.

Ein Schuh und eine Flasche stehen auf einem Tisch im "Museum der Überlebenden" in Brnenec, Tschechien.
"Museum der Überlebenden"
Vor ein paar Jahren hat Löw-Beer die verfallene Fabrik gekauft. Ursprünglich wollte ein rechtsnationaler Publizist aus der Region hier ein touristisches Holocaust-Zentrum einrichten. Doch er scheiterte am Geld.
Nun erschließt eine Stiftung nach und nach die weitläufige Anlage 200 Kilometer südöstlich von Prag. Ihr "Museum der Überlebenden" mit einem großen Zeitzeugenarchiv richtet sich derzeit vor allem an Schulklassen. Schülerinnen und Schüler aus mehreren Ländern haben sich in einem Workshop an der Gestaltung beteiligt.
"Er hat auch die Deutschen verraten. Gott sei Dank!"
Auf Interviews mit Überlebenden beruht auch das Buch "Schindlers Liste" des australischen Autors Thomas Keneally - eine Vorlage für den Spielberg-Spielfilm. Keneally konnte gesundheitsbedingt nicht nur Eröffnung anreisen, war aber zuletzt vor drei Jahren in Brnenec.
Als er das Buch geschrieben hat, habe man ihn nicht in die geschlossene Fabrik reingelassen. "Daher habe ich den tschechischen Hintergrund von Oskar Schindler nicht richtig gesehen", sagt Keneally. Schindler sei ein Sudetendeutscher gewesen und habe die Tschechoslowakei als Spion für die Deutschen verraten. "Aber später hat er auch die Deutschen verraten. Gott sei Dank!"
Bedeutende Rolle von Emilie Schindler
Inzwischen würde Keneally auch andere Teile seines Buches umschreiben. Der 89-Jährige hat sich zuletzt ausführlich mit Schindlers Frau Emilie befasst. Laut dem Museumsmanager Milan Sudoma kümmerte sie sich um die Zwangsarbeiter, um Lebensmittel und Medikamente, meist allein.
"Herr Keneally hätte Frau Emilie Schindler mehr Raum in der Handlung gegeben", sagt Sudoma. "Denn heute wissen wir, dass sie sehr aktiv war und eine gleichwertige Rolle in der Geschichte spielte, wenn nicht sogar eine größere."
Der Film "Schindlers Liste" wird in dem neuen Museum auch gezeigt, am Originalschauplatz, allerdings immer nur als ein Teil der Geschichte.