Eine mit Nuklearsprengköpfen bestückbare Interkontinentalrakete vom Typ "Topol" wird auf einer Rüstungsmesse in Russland präsentiert. (Archiv)

SIPRI-Bericht Friedensforscher warnen vor nuklearem Wettrüsten

Stand: 16.06.2025 01:03 Uhr

Das Friedensforschungsinstitut SIPRI sieht Anzeichen für ein neues nukleares Wettrüsten. Demnach modernisieren fast alle Atommächte ihre Arsenale. Vor allem China dürfte in Zukunft mehr in den Fokus rücken.

Bei den Friedensforschern in Stockholm schrillen alle Alarmglocken. Die Zeit des nuklearen Abrüstens und der Rüstungskontrolle? Vorbei. Stattdessen würden fast alle neun Atommächte ihre Arsenale modernisieren, warnt der scheidende Direktor des SIPRI-Instituts, Dan Smith. "Wir sehen ein neues nukleares Wettrüsten (...) in einer komplizierteren Situation als früher."

Damals habe es zwei Supermächte gegeben, die USA und Russland. Jetzt befänden sich drei Mächte in einer Dreiecksbeziehung. "Das macht es deutlich schwieriger, sich auf Maßnahmen zur Rüstungskontrolle zu einigen", so Smith. Der Dritte im Bunde der Supermächte: China. Das Land hat vor einigen Jahren eine Aufholjagd begonnen - und das Arsenal wächst stärker als das aller anderen. 

Trotzdem verfügen die USA und Russland dem Bericht der Friedensforscher zufolge weiter allein über rund 90 Prozent der Atomwaffen weltweit. Das könnte sich aber in den kommenden Jahrzehnten ändern, sagt Smith. "Es ist sehr schwer vorauszusagen, aber in etwa zwanzig Jahren wird Chinas Atomwaffenarsenal vermutlich nahezu die Größenordnung der USA und Russlands erreichen."

Wer sind die Atommächte?
Die neun derzeitigen Atomwaffenstaaten sind Russland, USA, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Nach SIPRI-Schätzungen im Januar 2025 verfügten sie über 12.241 Atomsprengköpfe. Rund 9.614 davon befanden sich den Angaben zufolge für den potenziellen Einsatz in militärischen Lagerbeständen. 

"Vielleicht würden wir in einen Atomkrieg hineinstolpern"

Insgesamt gibt es aktuell schätzungsweise mehr als 12.200 nukleare Sprengköpfe. Mit Sorge blicken die Friedensforscher darauf, dass der letzte Vertrag über die nukleare Rüstungskontrolle zwischen Russland und den USA Anfang kommenden Jahres ausläuft. Es seien keine Bemühungen erkennbar, diesen zu verlängern oder zu ersetzen. Stattdessen nun also: Aufrüstung.

"Was wir seit einigen Jahren sehen, ist, dass die Zahl der einsatzfähigen Sprengköpfe und Bomben zu steigen beginnt", sagt Smith. Die alten Waffen würden weiterhin entsorgt, aber es kämen neue in größerer Zahl dazu. Ein neues Wettrüsten aber könnte mehr Risiken mit sich bringen als früher, warnt der Friedensforscher.

Das liege auch am Einsatz von Künstlicher Intelligenz und anderer moderner Technologien. "Was mir Sorgen bereitet, ist, dass es einen Unfall geben könnte. Und dass der in diesem Klima der Feindseligkeit und des Misstrauens fehlinterpretiert wird", sagt Smith. "Wenn schnell Entscheidungen getroffen werden und sie durch moderne Technologien teilautomatisiert sind - vielleicht würden wir dann in einen Atomkrieg hineinstolpern, den niemand bei klarem Verstand jemals wollen würde."

Zweifel am Schutz durch US-Atomwaffen

Die nukleare Aufrüstung wird aus Angst gespeist. In Europa wachsen die Zweifel, ob der Schutzschirm durch US-Atomwaffen unter Donald Trump noch verlässlich ist. "Die Frage war immer schon: Würde ein US-Präsident tatsächlich New York riskieren, um einen Angriff auf Warschau zu rächen? Diese Unsicherheit war immer da - und sie wird größer", sagt Smith. Künftig könnte sich seiner Einschätzung zufolge die europäische Sicherheitspolitik daher stärker auf Frankreich oder auf Frankreich und Großbritannien stützen. "Aber falls nicht, dann sieht die Zukunft düster aus."

Ein düsteres Bild offenbart auch der Blick in den gerade veröffentlichten Jahresbericht der Friedensforscher. 49 bewaffnete Konflikte gab es im vergangenen Jahr auf der Welt. Die Militärausgaben stiegen zum zehnten Mal in Folge. Und statt Entspannung stehen die Zeichen vielerorts auf Eskalation.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 16. Juni 2025 um 09:05 Uhr.