
Berichte über israelische Schüsse Menschen stürmen Verteilzentrum in Gaza
Noch bevor die neue Art der Verteilung der Lebensmittel in Gaza gestartet war, hatte es daran heftige Kritik gegeben. Nun ist es zu chaotischen Szenen gekommen, bei denen auch Schüsse gefallen sein sollen.
Im Gazastreifen hat es bei der Verteilung von Lebensmitteln in einem neu eingerichteten Zentrum offenbar Chaos und Tumulte gegeben. Mitarbeiter der von den USA unterstützten Organisation hätten sich angesichts des Chaos zeitweise zurückgezogen, berichteten Nachrichtenagenturen und das israelische Nachrichtenportal ynet. Der Andrang sei sehr groß gewesen.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf das israelische Militär berichtete, hätten Soldaten außerhalb des Verteilzentrums Warnschüsse abgegeben. Auch die Nachrichtenagentur AP berichtete von Schüssen israelischer Truppen, zudem soll in der Nähe des Zentrums ein israelischer Panzer aufgetaucht sein. Laut AP gab es mindestens drei verletzte Palästinenser.
Menschen in verzweifelter Lage
Angesichts einer monatelangen Blockade von Hilfsgütern durch Israel, die erst zuletzt etwas gelockert worden war, sind viele Menschen in dem umkämpften Küstenstreifen in einer verzweifelten Lage. Es gab Berichte von Menschen in Panik und Plünderungen bei dem Sturm auf das Verteilungszentrum.
Andere, die ein Hilfspaket erhalten hatten, äußerten sich erleichtert. Die Pakete sollen Mehl, Reis, Nudeln, Zucker, Salz und Tee enthalten, zitiert die Nachrichtenagentur dpa einen Mann.
Netanjahu räumt "zwischenzeitlichen Kontrollverlust" ein
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat die Probleme beim Start der Verteilung eingeräumt. "Es gab einen zwischenzeitlichen Kontrollverlust", sagte Netanjahu. "Glücklicherweise haben wir die Lage wieder unter Kontrolle gebracht." Ein hochrangiger Vertreter des israelischen Militärs bezeichnete die Verteilung gegenüber der Nachrichtenagentur AFP als "Erfolg".
Die US-Regierung begrüßte die neu angelaufene Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen und ging gleichzeitig auf Abstand zu der dahinter stehenden Stiftung. Man spreche nicht für die Gaza Humanitarian Foundation (GHF), sagte eine Sprecherin des US-Außenministerium. Die Befürchtung, die Logistik könne darauf abzielen, Menschen gezielt aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden zu drängen, kommentierte sie mit den Worten: "Das ist kein Projekt des US-Außenministeriums."
Hamas spricht von "totalem Misserfolg"
Die Gaza Humanitarian Foundation - eine private Stiftung -, die das Zentrum erst am Vortag eröffnet hatte, warf der militant-islamistischen Hamas vor, Blockaden errichtet zu haben. Deswegen seien die Hilfesuchenden erst nach mehreren Stunden Verspätung an die Verteilstelle gelangt. Die GHF erklärt, bislang etwa 8.000 Lebensmittelpakete verteilt zu haben. Dies entspreche 462.000 Mahlzeiten.
Das Hamas-Medienbüro teilte nach dem Vorfall mit, der von Israel initiierte Mechanismus zur Verteilung von Hilfsgütern sei ein "totaler Misserfolg". Er sei Teil israelischer Pläne, einen Großteil der Bevölkerung in andere Staaten umzusiedeln. Das von der Hamas kontrollierte Innenministerium hatte die Einwohner des Gazastreifens zuvor dazu aufgerufen, den neuen Verteilmechanismus zu boykottieren.
UN: Bekommen keinerlei Informationen
Mit der von den USA unterstützten Verteilstrategie will die israelische Regierung nach eigenen Angaben verhindern, dass die Hamas Lieferungen stiehlt und weiterverkauft. UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt.
Die vier GHF-Verteilungszentren im Süden und im Zentrum des Gazastreifens sollen von US-Sicherheitsfirmen betrieben werden. Israel will so Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Helfer umgehen. Diese kritisieren den Verteilmechanismus jedoch als unvereinbar mit dem humanitären Völkerrecht. Die UN bemängelten, dass sie keinerlei Informationen darüber erhalten würden, ob und wie die Hilfe bei den notleidenden Menschen ankommt.
Laut dem Sprecher des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (Ocha), Jens Laerke, braucht es nun vorrangig "ein sicheres Umfeld und eine schnellere Erleichterung der Genehmigungen und endgültigen Freigaben für all die Hilfsgüter, die wir direkt vor der Grenze haben und die dort hinein gelangen müssen".
Kritik am Verteilmechanismus und der Stiftung
Im Vorfeld hatte es Berichte darüber gegeben, dass die GHF bei der Verteilung der Lebensmittel Programme zur Gesichtserkennung anwenden würde, um diejenigen mit Verbindungen zur Hamas auszuschließen. Konkrete Details darüber, wie die Ausgabe der Lebensmittel genau ablaufen sollte, hatte die Organisation nicht öffentlich gemacht.
Noch bevor die GHF mit der Verteilung der Lebensmittel begonnen hatte, hatte der geschäftsführende Direktor, Jake Wood, seinen Posten aufgegeben. Er hatte seine Entscheidung damit begründet, dass die Stiftung ihren Auftrag nicht gemäß den "humanitären Prinzipien" erfüllen könne.